Thema des Monats: Urlaub in der Region

Ökotourismus: Natur genießen ohne schlechtes Gewissen?

Ökotourismus: Natur genießen ohne schlechtes Gewissen?

Ökotourismus: Natur genießen ohne schlechtes Gewissen?

Malte Cilsik
Nordschleswig/Apenrade
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Das Wattenmeer bietet eine weltweit einzigartige Natur und Tierwelt zu bestaunen. Foto: Malte Cilsik

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Umwelt und Tourismus – verträgt sich das? Im Wattenmeer zählen Robbensafaris und Vogeltouren zu den absoluten Klassikern. „Der Nordschleswiger“ hat mit zwei Anbietern gesprochen, die ihrer Meinung nach auf nachhaltigen Tourismus achten.

Nationalparkverwaltungen zu beiden Seiten der Grenze mahnen immer wieder vor zu starken Einflüssen des Tourismus auf die Natur. Auch die Universität Aarhus untersucht in diesem Jahr, inwieweit sich die Seehundbestände in den vergangenen Jahren verändert haben.

Nicht ohne Grund: Die Menschen zieht es nicht erst seit dem Beginn der Corona-Pandemie immer mehr in die Natur. Zweifellos bleibt das nicht ohne Folgen.

Dennoch gibt es auch Anbieter, die Touren in kleinerem Maßstab und ihrer Ansicht nach auf umweltverträgliche Weise anbieten. „Der Nordschleswiger“ hat zwei von ihnen bei ihrer Arbeit besucht.

Auf der Mandøpigen über die Nordsee

Poul Erik Fredskild hat 18 Jahre in der Ölindustrie gearbeitet. Dann hatte er genug, wie er sagt. „Statt die Natur weiter zu zerstören, wollte ich den Menschen lieber ihre Schönheit zeigen“, meint er.

In Kooperation mit einem niederländischen Schiffsbauer entwarf und konstruierte er selbst ein kleines, flexibles Boot, mit dem er fast überall an den Küsten von Röm (Rømø) und Mandø anlegen kann. Die Mandøpigen.
 

Die Räder an der Mandøpigen erlauben es Poul Erik Fredskild, seine Safaris von nahezu überall rund um Mandø und Röm zu beginnen. Bei Bedarf, kann er mit seinem Schiff sogar über Land fahren. Foto: Malte Cilsik

Im kleinen Maßstab möchte er so den Touristen den Naturraum rund um die Inseln näherbringen – fernab von Touristenhotspots wie zum Beispiel Esberg (Esbjerg). Mit 10 bis 15 Personen ist die Mandøpigen bereits gut gefüllt.

Das Erlebnis

Seit Oktober 2019 bietet er Safaris durch das Wattenmeer an, im Sommer zu den Rastplätzen der Robben, im Herbst zu den Austernbänken.

10 bis 20 Touren bietet er pro Woche an. Fredskild richtet sich dabei nach den Gezeiten – nur bei Ebbe kann er die Robben ausfindig machen. Daher variiert auch die Anzahl seiner Safaris von Tag zu Tag und von Woche zu Woche.

Rund drei Stunden dauert eine Tour. Die Zeit nutzt Fredskild, um den Touristen etwas über die Bedeutung des Wattenmeers und der Seehunde und Kegelrobben in diesem Ökosystem zu erzählen.

Ferngläser sind das wichtigste Werkzeug auf den Robbensafaris. Foto: Malte Cilsik

Dabei hält er stets einen Abstand von 50 bis 70 Metern zu den Sandbänken ein. Stattdessen verteilt er Ferngläser, um die Tiere den Teilnehmenden näherzubringen. Für scharfe Bilder sorgt er selbst, da Handykameras auf diese Distanz häufig keine guten Ergebnisse liefern.

Fredskild orientiert sich auf seinen Touren stets an den Seehunden: „Sobald die Seehunde ihre Köpfe heben, steuere ich die Mandøpigen weg von ihnen. So vermeide ich, dass sie vor Stress ins Wasser flüchten und ihre Ruhezeiten unterbrechen.”

Für gute Bilder garantiert Poul Erik Fredskild auf seinen Safaris persönlich. Foto: Malte Cilsik

Tierwohl im eigenen Interesse

Es ist dabei in seinem eigenen Interesse, die Tiere nicht zu vertreiben – sie sind seine Lebensgrundlage. Und bisher ist ihm das auch immer geglückt, meint er: „Ich habe hunderte Seehunde gesehen, die angesichts eines Seeadlers die Flucht ergriffen haben. Bei mir ist das noch nie passiert.”

Daher schätzt er den Einfluss seiner Safaris als gering ein. Besonders in den Gebieten, in denen er seine Touren plant, werden die Robben zudem nur sehr selten gestört – auch wenn Fredskild in den vergangenen Monaten eine steigende Nachfrage nach seinen Touren bemerkt hat. Er führt dies auf eine Kombination aus Weiterempfehlungen und einem generell steigenden Interesse der Menschen an der Natur zurück.

Poul Erik Fredskild ist erreichbar unter der Nummer 7544 6434.

Mit Marit Beckmann die Zusammenhänge im Wattenmeer verstehen

Marit Beckmann ist eine ausgebildete Birdwatching-Guide und Partnerin des deutschen und dänischen Nationalparks Wattenmeer. Zu beiden Seiten der Grenze bietet sie individuelle Vogeltouren auf Deutsch und Dänisch an.
 

Marit Beckmann ist gleichzeitig auch Schulleiterin der Jens Jessen Schule in Flensburg. Weiterhin ist sie eine begeisterte Künstlerin und verbringt viele Stunden im eigenen Atelier. Foto: Malte Cilsik

Ihr ist vor allem das Vermitteln von Zusammenhängen wichtig: „Vielen Menschen ist nicht bewusst, dass unser Handeln globale Konsequenzen hat. In der Arktis verschieben sich die Jahreszeiten bereits viel stärker als bei uns. Dadurch bleiben Zugvögel wie der Knutt kleiner und ihre Schnäbel kürzer, wenn sie dort schlüpfen. In ihren Winterquartieren macht sich das dann bemerkbar – im Schlamm finden sie so weniger Nahrung.“

Diese Art zu denken ist Beckmann wichtig: Von der Schönheit und Nähe des Lokalen auf globale Prozesse schließen und die bestehenden Probleme erkennen. „Die Menschen verstehen meine Botschaften viel eher, wenn sie konkrete Beispiele vor Augen haben“, meint sie.

Maximal 15 Personen nimmt Beckmann pro Tour mit – in der Regel sind es aber deutlich weniger. Sie möchte keinerlei Spuren in der Natur hinterlassen, im Gegenteil: Auf ihren Touren hat sie stets Müllbeutel dabei und lässt die Teilnehmenden mithelfen. Diese Gelegenheiten nutzt sie, um auch über die Gefahren des Mülls für die Tiere und die Natur zu sprechen.

Beckmann hat auch viel Geld investiert in Ferngläser und Spektive. So bringt sie die Vögel nah an die Menschen und nicht umgekehrt.

Mit Spektiven, Ferngläsern und einem Müllbeutel ausgestattet zieht Marit Beckmann auf ihren Vogeltouren meist zu Fuß durch die Natur. Foto: Malte Cilsik

Es geht aber auch anders

Andere Vorgehensweisen kritisiert sie. Allen voran den Andrang der Menschenmassen auf den Flug der Stare im Frühling und Herbst, die sogenannte „Schwarze Sonne“ (Sort Sol). „Wenn bis zu 200 Leute gleichzeitig in Bussen anreisen, ist das für mich allein durch den Lärmpegel schon kein nachhaltiger Tourismus mehr“, führt Beckmann an. Hinzu kommen die Straßen und Parkplätze für die Busse, die, genau wie die Menschenmassen selbst, die Natur zerstören.

Die Starenschwärme im Wattenmeer sind im Frühling und Herbst eine beliebte Touristenattraktion. Foto: James Wainscoat/Unsplash

Ähnlich kritisch betrachtet sie die Pläne für ein Vogelobservatorium am alten Hoyer-Deich. Das etwa 50 x 4 Meter große Gebäude würde ihrer Meinung nach den wertvollen Naturraum der Marsch zerstören. Zudem wäre der dazugehörige Busparkplatz inklusive dem dann höheren Verkehrsaufkommen störend für die Vogelwelt.

Im Einklang mit der Natur

Stattdessen fordert Beckmann ausschließlich umweltverträglichen Tourismus im Nationalpark. Ähnlich dem deutschen Vorbild, hält sie beispielsweise auch auf dänischer Seite Schutzzonen für sinnvoll. Diese dürfen nur in Begleitung eines zertifizierten Guides und nur von Gruppen in beschränkter Größe betreten werden.

Die Nachfrage hierfür sei vorhanden. Besonders auf deutscher Seite erkundigen sich die Leute immer mehr nach ihren Qualifikationen, bevor sie eine Tour buchen. Das befürwortet Beckmann. Generell sei eine engere grenzüberschreitende Zusammenarbeit der niederländischen, deutschen und dänischen Nationalparks wünschenswert. Allein schon vergleichbare Regeln und Gesetze würden viel bei der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit erleichtern.

Trotzdem ist sie insgesamt eher pessimistisch, was ihre Wünsche angeht. Der dänische Nationalpark ist beispielsweise nicht behördlich organisiert. Entsprechend schwieriger sei es daher, die Schutzmaßnahmen in diesen Gebieten umzusetzen.

Auf ihrer Webseite www.birdwatching.dk bietet Marit Beckmann weitere Informationen zu ihren Touren.

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