Deutsche Minderheit

Adieu Gemeindehaus: Deutscher Gemeindeteil nahm Abschied

Adieu Gemeindehaus: Deutscher Gemeindeteil nahm Abschied

Adieu Gemeindehaus: Deutscher Gemeindeteil nahm Abschied

Sonderburg/Sønderborg
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Pastor Hauke Wattenberg beim Gottesdienst Foto: Ilse Marie Jacobsen

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Beim letzten Gottesdienst an der Sonderburger Østergade 1 sprach Pastor Hauke Wattenberg von einem Haus mit einem Kirchensaal, der ihm sehr ans Herz gewachsen ist. Anschließend fand der erste Schritt Richtung Umzug statt.

Seit 114 Jahren ist das schöne alte Gemeindehaus in der Østergade 1 der Austragungsort für viele Veranstaltungen der Marienkirchengemeinde in Sonderburg. Ob Gottesdienst, Weihnachtsfeier, Lottospiel, Sonntagsschule, Konfirmandenunterricht, Babygesang oder Treffen des Gemeinderats – dort war fast täglich etwas los. 

In Kürze wird es dort aber ruhig werden. Das einst als evangelisches Vereinshaus errichtete weiße Gebäude steht bei EDC für 7,25 Millionen Kronen zum Verkauf. Der Grund: Die Gemeinde inklusive deutschem Gemeindeteil zieht in einen Neubau. Am 27. Oktober ab 14 Uhr wird das neu errichtete Gemeindehaus nur wenige Meter von der Marienkirche entfernt offiziell eingeweiht.

Der letzte Gottesdienst

Für die deutsche Gemeinde in der Sonderburger Kommune stand somit am Sonntag, 6. Oktober, der letzte Gottesdienst im reich verzierten alten Kirchsaal auf dem Programm. Die Feier begann um 10 Uhr mit klassischer Musik mit Violine und Orgel. Die professionellen Musiker Birgit und Jens Bauer sorgten gleich zu Beginn für eine besondere festliche Stimmung.

Das Gemeindehaus an der Østergade 1 Foto: Ilse Marie Jacobsen

Pastor Hauke Wattenberg erzählte den 30 Anwesenden, warum der Raum für ihn die liebste Predigtstätte geworden ist. Was einst in deutscher Zeit an der damaligen Kaiser-Wilhelm-Allee als eine der vier Säulen der preußischen Macht entstand, ist ein Bauwerk von hoher Qualität. „Und wir wissen nicht, was hier passieren wird“, so Wattenberg. Zu den vier sogenannten Säulen gehören auch das Gerichtsgebäude, die Staatsschule und die damalige Reichsbank.

Ohne Geist Gottes nur ein Raum

„Wir verlassen hier eigentlich nur ein Haus. Ohne den Geist Gottes ist es nur ein Raum. Ein solcher Raum kann einem aber ans Herz wachsen“, stellte der Geistliche fest. Der Altar mit den Gemälden der vier Evangelisten Matthäus, Marcus, Lucas und Johannes wird zum neuen Gemeindehaus gebracht.

Nach gemeinsamen Liedern, Psalmen, der Predigt, dem Segen und dem Abendmahl wurden anschließend ein paar Gegenstände des Altars demonstrativ zur Eingangstür getragen. Den acht Frauen und Männern wurden die Altardecke, Bibel, Kelch und Kerzen feierlich überreicht. „Wir danken dir für die Zeit in diesem Haus“, so Hauke Wattenberg.

Was sonst auf dem Altar stand oder Teil des Gottesdienstes war, wurde durch den Saal zur Tür getragen. Foto: Ilse Marie Jacobsen

Anschließend wurden die Gäste zu einer Kaffeetafel mit frisch gebrauten Bohnen, handgebackenem Makronengebäck und etwas Süßem eingeladen. 

Abstand zur Kirche ist zu weit

Anne Jessen kam seit ihrem Umzug nach Sonderburg ins Gemeindehaus. „Ich ging immer gern hierher, und ich finde es eigentlich schade. Hier ist es immer gemütlich – auch wenn wir nicht so viele sind“, meinte sie.

Die Gemeinde wurde anschließend zum Kaffee eingeladen. Foto: Ilse Marie Jacobsen

Das Gemeinderatsmitglied Doris Ravn ist seit Jahrzehnten immer wieder im Gemeindehaus bei verschiedenen Veranstaltungen dabei. „Aber der Abstand zur Kirche ist einfach zu weit“, stellte sie fest. Auch sie fragte sich, was nun mit dem Gemeindehaus aus dem Jahre 1910 passieren wird. „Man fragt sich ja, was kommt her, und was wird aus dem Saal.“

Deutscher Heimatstil

Das Haus mit seinen gewölbten Dachziegeln, den schönen Dekorationen an den Wänden, Stuck und Ornamenten hat der Sonderburger EDC-Makler in seinem Angebot. 

Der Architekt Carl Voss aus Kiel hat das 1.520 Quadratmeter große weiße Gebäude mitten in Sonderburg vor 114 Jahren geschaffen. Es ist ein hervorragendes Beispiel deutschen Heimatstils. 

Neben dem großen Kirchensaal gibt es drei unbewohnte Wohnungen, vier Küchen, ein großes Konferenzzimmer, mehrere kleinere Büros, einen Lagerraum, eine Halle und zwei Treppen. 

Was künftig im Gemeindehaus passieren wird, muss sich noch zeigen. Foto: Ilse Marie Jacobsen
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Gwyn Nissen
Gwyn Nissen Chefredakteur
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