Nordfriesland

Bürokratie, Lieferengpässe und Fachkräftemangel: Wie Firmenchefs die Lage beurteilen

Wie Firmenchefs in Nordfriesland die Lage beurteilen

Wie Firmenchefs in Nordfriesland die Lage beurteilen

Birger Bahlo/shz.de
Husum
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Maren Lege-Thomsen (Lonsdorfer) war Gastgeberin des Pressegesprächs mit Sebastian Koch und Ken Blöcker vom Unternehmensverband Unterelbe Westküste. Foto: Birger Bahlo/shz.de

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Die Auftragsbücher sind bei den meisten nordfriesischen Mitgliedsfirmen im Unternehmensverband Unterelbe Westküste voll. Doch angesichts massiver Probleme ist es für sie nicht so leicht, die Aufträge auch zu erfüllen.

Einmal mehr hat der Unternehmensverband Unterelbe Westküste (UVUW) Firmenchefs zur Konjunkturlage befragt. 100 erhielten die Fragen, 28 haben ausführlich geantwortet. Dieses Mal haben 61 Prozent von ihnen erneut Bürokratie im Alltag beklagt. Doch jetzt drängt ein weiteres Problem auf der Liste der Belastungen massiv nach vorne. 50 Prozent machen sich Sorgen wegen der Lieferengpässe, die vor allem durch den Krieg in der Ukraine und die verhängten Sanktionen entstanden sind.

Detailliert diskutierten darüber die beiden UVUW-Geschäftsführer Ken Blöcker und Sebastian Koch mit Maren Lege-Thomsen, der Chefin der Spedition Lonsdorfer in Husum. Sie war Gastgeberin für das Gespräch mit shz.de, in dem der UVUW die Ergebnisse seiner Umfrage vorstellte.

Schnellere Planungsverfahren gefordert

Gerade vor dem Hintergrund, dass erneuerbare Energien die reduzierten Gas- und Öllieferungen auffangen sollen, forderten die Verbandssprecher, Planungs- und Genehmigungsverfahren für Windenergie- und Photovoltaik-Anlagen „deutlich schneller und unbürokratischer“ ablaufen zu lassen. Da müsse das Land „endlich zu deutlich sichtbaren Erfolgen kommen“. Sie bezogen dabei auch gleich die Forderung ein, an der Westküste zusätzlichen Wohnraum schnell zu erschließen.

Mittlerweile fühlten sich 68 Prozent von Rohstoffknappheit und Lieferengpässen bedroht. „Dies ist umso ärgerlicher, da die Auftragsbücher reichlich gefüllt sind“, sagte Ken Blöcker. Er schilderte die Zusammenhänge: Mit der Null-Covid-Strategie Chinas und dem Herunterfahren von Millionenmetropolen wie Shanghai „kommt ein weiteres gewichtiges Problem hinzu.“ In den Häfen Chinas stauten sich die Waren, die wegen des Lockdowns die Häfen nicht verlassen könnten. Container, die es nach Hamburg schafften, könnten jedoch wegen des Rückstaus nicht entladen werden. Allerdings drohe nur ganz vereinzelt Kurzarbeit. 96 Prozent würden da keinen Zusammenhang herstellen.

Mehr Sorgen bereitet offenbar die Inflation. 75 Prozent fürchten aktuell eine Lohn-Preis-Spirale. Gemeint sei damit, dass Arbeitnehmer zum Ausgleich für steigende Preise höhere Löhne forderten. In der energieintensiven Stahlbranche sei jüngst ein Gehaltsplus von 6,5 Prozent vereinbart worden, also sogar über der aktuellen Inflationsrate. Sebastian Koch machte klar: „Es kann nicht Aufgabe von Unternehmen sein, Inflation auszugleichen.“ Als Umkehrschluss fügte er die rhetorische Frage an, ob bei sinkenden Zinsen Arbeitnehmer ihre Lohnforderungen dann auch wieder senken würden.

Hälfte der Unternehmer fürchtet Verschlechterung der Lage

Auch die globalen Aussichten auf die wirtschaftliche Entwicklung seien schlechter geworden. Die Hälfte sehe in den nächsten sechs Monaten eine Verschlechterung voraus. 32 Prozent denken, sie bleibe gleich, und 18 Prozent denken sogar, alles werde besser. Allerdings beurteilen immerhin 54 Prozent ihre gegenwärtige Geschäftslage zumindest als „saisonüblich“. 36 Prozent sogar als gut, aber auch jeder Zehnte als schlecht.

Das spiegelt sich etwa auch in den Antworten auf Fragen nach Auftragseingängen wider. Die seien im ersten Halbjahr 2022 gleich geblieben, sagen 59 Prozent. Für 18 Prozent seien sie zurückgegangen, für 23 Prozent gestiegen.

Dauer-Drama Fachkräftemangel verschärft sich erneut

Immer düsterer werde die Lage bei der Suche nach Fachkräften. Der Mangel habe sich wieder einmal verschärft. In Schulnoten ausgedrückt vergaben 14 Prozent der nordfriesischen Firmenchefs eine Sechs, 32 Prozent eine Fünf und 29 Prozent eine Vier. Eine Eins gab es gar nicht, und Zweien und Dreien gemeinsam brachten es gerade mal auf 25 Prozent. Einmal mehr betonten die Sprecher, dass eher Mitarbeiter mit abgeschlossener Berufsausbildung als Akademiker fehlten. Um die Dramatik zu unterstreichen, wiesen Ken Blöcker und Sebastian Koch auf den Personalbedarf der Firma Northvolt hin, die in Heide ein Batteriewerk plant: 3000 seien direkt und 10.000 im Umfeld benötigt.

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