Nordfriesland

Debatte mit Wirtschaftsminister: Wie ist Sylt noch zu retten?

Debatte mit Wirtschaftsminister: Wie ist Sylt noch zu retten?

Debatte mit Wirtschaftsminister: Ist Sylt noch zu retten?

Barbara Glosemeyer/shz.de
Westerland
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Auf dem Podium (von links): Dirk Erdmann, Claus Ruhe Madsen, Susanne Matthiessen, Birte Wieda und Uwe Mantik. Foto: Syltpicture/Volker Frenzel/shz.de

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Es geht um nichts Geringeres als um die Zukunft der Insel: Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Claus Ruhe Madsen diskutierte mit Insulanern und gibt ihnen einen Rat.

Trotz schönstem Sommerwetter war der stickige Friesensaal proppenvoll. Akteure aus den unterschiedlichsten Bereichen und Branchen der Insel waren gekommen – nach langer Zeit endlich mal wieder, wie Bestseller-Autorin und Moderatorin Susanne Matthiessen gleich zu Beginn des Abends feststellte. Alle wollten dabei sein, wenn Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Caus Ruhe Madsen sich nach nur 60 Tagen im Amt auf den Weg macht nach Sylt. „Ich kann nicht all ihre Probleme lösen, aber ich bin da zuzuhören mit offenem Herzen“, sagte der Däne.

Den Sylterinnen und Syltern brennt das Thema unter den Nägeln, es geht schließlich um nichts Geringeres als die Zukunft der Insel. Nicht morgen, nicht nächstes Jahr, aber in fünf bis zehn Jahren. Denn die Balance zwischen bezahlbaren Dauerwohnungen und Ferienunterkünften ist gekippt auf der Insel. „Wenn das nicht gestoppt wird, wird die Insel nicht verschwinden, aber sie wird zum Centerpark, weil die Menschen, die hier leben, verschwinden werden“, fasste Stadtentwicklungsexperte Uwe Mantik das Behergergungskonzept zusammen, das die Beratungsgesellschaft CIMA im Auftrag der Gemeinde Sylt für 28000 Euro erstellt hat.

Das ist harter, schonungsloser Tobak, auch wenn eigentlich alle auf der Insel wissen, dass es so nicht weitergehen kann mit dem Ausverkauf der Insel. Das will der Dehoga-Vorsitzende Dirk Erdmann genauso wenig wie die Merret-reicht’s-Gründerin Birte Wieda, die gemeinsam mit dem Wirtschaftsminister und Mantik auf dem Podium saßen.

„Die Entwicklung ist bedauerlich“, sagte Erdmann, „Ich würde mir wünschen, dass wir gemeinsam einen Weg aus der Misere finden und die Ränkespiele hinter den Kulissen weglassen. Aber ich bin es auch leid, in der xten Gesprächsrunde zu sitzen und trotzdem geht nichts voran.“ Er komme sich manchmal vor wie in einem Fußballspiel, indem ganz viele Trainer im Stadium sitzen, die es alle besser wissen als die Spieler auf dem Platz. „Ich wünsche mir, dass die, die es besser können, sich bei der Kommunalwahl 2023 zur Wahl stellen. Und ich würde mich auch freuen, wenn sich wieder mehr junge Leute engagieren“.

Ganz so einfach ist es aus Sicht von Birte Wieda nicht. Sie habe aus Frust über lähmende Politik die Bürgerinitiative gegründet: „Bis das Beherbergungskonzept es Schwarz auf Weiß gezeigt hat, hat uns doch niemand geglaubt, was wir sehen. Wir waren Querulanten.“ Jetzt dürfe man keinen Tag mehr verlieren. „Wir brauchen neue Herangehensweisen, neue Ideen“.

Der politische Wille ist entscheidend

Möglichkeiten gibt es nach Auffassung des Stadtentwicklungsexperten Mantik dafür genug: „Es ist zwar ein enormer finazieller und personeller Kraft, das Beherbergungskonzept umzusetzen. Aber wenn es den ernsthaften Willen gibt, etwas zu verändern, gibt es genügend Instrumente.“ Das Allererste sei der politische Wille, das Beherbergungskonzept zu beschließen. „Das ist auch ein Signal. Wenn sie das nicht senden, fährt der Zug in die alte Richtung weiter“, mahnte Mantik.

Der Wirtschaftsminister nahm das Bild des Fußballspiels von Erdmann auf: „Die einzige Möglichkeit auf dem Feld zu gewinnen, ist, alle Akteure auf der Insel ins Boot zu holen und eine Idee als Mannschaft zu entwickeln. Im Moment sind wir noch nicht mal aus der Umkleide heraus. Man braucht eine klare Vorstellung von dem, was man will, sonst wird man nicht gehört und auch nicht verstanden.“

Appell des Wirtschaftsministers: Lösungen statt Probleme

Madsen rief die Sylter dazu auf, konstruktiv und optimistisch zu bleiben: „Wer in Problemen denkt, kriegt Probleme. Wer in Lösungen denkt, findet welche. Man muss was anpacken, nicht sagen, es geht nicht. Wenn man sich das Morgen vorstellt, weiß man, was man heute zu tun hat. Die meisten beschäftigen sich nur mit den Problemen von heute“.

Die menschenfreundliche Insel

Und man solle nicht vergessen, dass viele Menschen auf der Insel auch gut vom Tourismus lebten und der Tourismus Sylt viel Wohlstand gebracht habe. Davor gelte es Respekt zu haben.

Und wie soll das funktionieren auf einer Insel, auf der es fünf Gemeinden gibt, die ihre eigene Politik machen und sich untereinander nicht grün sind?

Ein insulares Gremium

Dirk Erdmann hat dazu eine klare Meinung: „Es gibt kein Gremium, dass so etwas entwickeln könnte. Wenn wir Strukturen verändern wollen, müssen wir uns selbst eine andere Struktur geben. Die einzige Möglichkeit, die ich dafür sehe, ist das Amtsmodell, das vor einigen Jahren schon auf dem Tisch lag: eine Verwaltung und einen Amtsdirektor für alle Gemeinden. Dadurch werden die Fraktionen schwächer, aber die Ortsteile gestärkt. Es würde ganz neue Allianzen ermöglichen und wir hätten ein gemeinsames Gremium für die gesamte Insel Sylt“.

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