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Kristian Dittmann: „Seegras ist ein Wasserprofi, Seegras ist ein Rohstoff“

Kristian Dittmann: „Seegras ist ein Wasserprofi, Seegras ist ein Rohstoff“

„Seegras ist ein Wasserprofi, Seegras ist ein Rohstoff“

SHZ
Kappeln
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Kristian Dittmann, ein Meeresbiologe, der um den vielfältigen Nutzen des Seegrases weiß. Foto: Panozzo/shz.de

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Der Meeresbiologe sammelt das wertvolle Naturmaterial und verarbeitet es zu Kissenfüllungen und nutzt es als organischen Dünger.

Es dreht sich alles um Zostera Marina. Dieser Name steht für das große Seegras, das in vielen Gewässerbereichen Norddeutschlands wächst und den größten Anteil angeschwemmter Pflanzen- und Algen, dem „Treibsel“ an den Stränden bildet.


„Seegras ist echt ein Wasserprofi“, schwärmt Kristian Dittmann, 51 Jahre alter Meeresbiologe, nun schon seit 2013. Auf Umwegen zog er mit seinem kleinen Unternehmen vor drei Jahren nach Loitmark in Kappeln. Bis heute ist Seegras und der damit verbundene Umwelt- und Meeresschutz sein alles umspannendes Hauptthema. Angefangen hat die Liebe zu diesem Rohstoff während eines Strandspazierganges an der nahen Ostsee. Es kam spontan der Gedanke: „Seegras ist ein Rohstoff.“


Fortan wurde geforscht, gesammelt und ausprobiert. Denn, so Kristian Dittmann, bis in die 60er-Jahre wurde dieses wertvolle Material gleich in drei großen Bereichen eingesetzt: in Polstereien und als Matratzenfüllstoff, als Dünger im Acker- und Gemüsebau und als Isoliermaterial beim Hausbau. Kokosfasern und Schaumstoff lösten den hier gratis angeschwemmten Stoff zunächst für rund 50 Jahre ab, und so verschwanden nach und nach auch die Firmen, die das Seegras benutzen. Mittlerweile erlebt das große Seegras, eines von weltweit mehr als 60 Unterarten, eine Art Renaissance.

Kissenfüllungen aus Seegras

Kristian Dittmann experimentierte unermüdlich mit Kissenfüllungen aus Seegras. Zunächst muss der wertvolle Stoff eingesammelt werden. Dies geschieht bereits ab Mitte August. Ähnlich wie das Laub verliert das Seegras zu dieser Jahreszeit seine Blätter. Diese werden angeschwemmt und aufgesammelt. „Kleinere Mengen Seegras sammeln darf jeder“, sagt Dittmann. Nach dem Einsammeln des Seegrases wird das Salz durch aufwendiges Waschen herausgespült und auf „Kappelns längster Wäscheleine“, wie Dittmann es nennt, getrocknet und weiterverarbeitet. In guten Jahren kommen so rund 20 Kubikmeter zusammen.


Mehrfach wurde zudem der Effekt als organischer biologischer Dünger nachgewiesen. „Meine Hochbeete bestehen nur noch aus Treibsel“, sagt Dittmann und lächelt, „und meine Kartoffeln wachsen richtig gut.“ Es werde eben die Bodenhygiene verbessert. Bei der Verwendung als Füll- und Stoffmaterial ist vor allem von Vorteil, dass das Seegras viel Feuchtigkeit aufnehmen kann, die täglich als Luftfeuchtigkeit in den Wohnungen und Häusern entsteht und – ähnlich wie Lehm – erst nach und nach wieder abgibt.


Seegraswiesen gibt es in vielen Meeren der Welt, seit 1930 sind sie in Deutschland geschützt. Allerdings geht der Bestand in der Ostsee und Schlei dennoch stetig nach unten. „Leider“, so Kristian Dittmann, denn als Meeresbiologe weiß er um die Bedeutung dieser „Unter-Wasser-Wiesen“ als Lunge des Meeres. Einerseits besitzt Seegras die Fähigkeit, Sauerstoff zu produzieren, außerdem wird CO2 gebunden – beides wichtig für den Erhalt der Meeresgesundheit.

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Aber viele der einst großen Flächen sind in den vergangenen Jahren verkümmert. In der Geltinger Birk findet man kaum noch angeschwemmtes Seegras. „Wir verzeichnen hier einen dramatischen Rückgang, während es 2015 dort noch sehr gute Ernten gab!“ Daher gibt es gleich mehrere Projekte und Bemühungen, das Verschwinden der Seegraswiesen zu stoppen. Zum einen wurden Versuche gestartet, Seegraswiesen zu vermehren. Diese Methoden, Seegraspflanzen punktuell der Natur zu entnehmen, um diese dann an anderer Stelle zeitnah von Tauchern wieder einzusetzen, zeigte bereits in Amerika, Dänemark und Schweden erste Erfolge von bis zu 50 Prozent, berichtet Dittmann.


Heute kann man jeweils sonnabends von 18 bis 20 Uhr die Produktionsstätte besuchen, sich vieles rund ums Thema Seegrasproduktion erzählen lassen und gleich ein frisch gestopftes Kissen erwerben, das in ausgekochter Weißwäschenhülle vor den Augen der Besucher entsteht. (Anmeldung unter der Tel. 0162/7919359).

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Zu den besonderen Eigenschaften des großen Seegrases zählt die schwere Brennbarkeit, Brandklasse B2, die eine weitere Behandlung des Dämmstoffes mit Zusatzstoffen überflüssig macht. Dieses entsteht durch die Inhaltsstoffe Bor und Jod. Seegras schimmelt zudem nicht und lässt keine Milben „einziehen“, also auch für Allergiker einen nicht zu unterschätzenden Pluspunkt. Positive Einflüsse gibt es auch in puncto schwitzen, schnarchen und Nackenschmerzen. Aber da ist Ausprobieren angesagt.



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