Nordfriesland

„Mehr Womanpower“: Energiewende leidet unter Fachkräftemangel

„Mehr Womanpower“: Energiewende leidet unter Fachkräftemangel

„Mehr Womanpower“: Energiewende leidet unter Fachkräftemange

Marco Nehmer/shz.de
Enge-Sande
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Gestutzte Flügel: Der Ausbau der Windkraft krankt fehlendem Fachpersonal. Die ambitionierten Ausbauziele sind gefährdet, wenn nicht sämtliche Arbeitsmarktpotenziale ausgeschöpft werden. Foto: Marco Nehmer/shz.de

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Ambitionierte Ausbauziele sind von Menschen abhängig, die sie umsetzen. Von denen gibt es zu wenig, auch in Nordfriesland. Politik und Industrie wollen die Fachleute von morgen erreichen – und zwar ausdrücklich nicht nur Fachmänner.

Zeit für Grundsätzliches. Natürlich, Termine wie diese sind auch dazu da, höflich zu klatschen, Nettigkeiten auszutauschen. Aber Selbstbeweihräucherung braucht hier keiner an diesem Donnerstagvormittag bei Offtec in Enge-Sande, Nordfriesland. Der Tag der Übergabe der Urkunden an die erfolgreichen Teilnehmer des hier mittlerweile zum 13. Mal absolvierten IHK-Zertifikatslehrgangs „Fachkraft Elektrotechnik für Windenergieanlagen (IHK)“ ist ein Tag des mahnenden Wortes, fast eines Hilferufes: Es fehlt an Fachkräften für die Energiewende.

Ist die Energiewende Männersache? Die Absolventen des IHK-Zertifikatslehrgangs „Fachkraft Elektrotechnik für Windenergieanlagen“. Foto: Marco Nehmer/shz.de

Tobias von der Heide (CDU), Staatssekretär im Wirtschaftsministerium des Landes, ist aus Kiel gekommen, um den politischen Willen zum Ausbau der Erneuerbaren zu formulieren. Er spricht vom „klimaneutralen Industrieland“ Schleswig-Holstein, von einem Netz aus Wasserstofftankstellen von Schweden bis Deutschland, von der Windkraft, deren Einspeiseleistung bis 2030 verdoppelt werden soll. Der Staatssekretär ist aber auch gekommen, um auf die vielleicht größte Gefahr für die Ausbauziele hinzuweisen, auf den Elefanten im Raum der Energiewende: Wer soll das denn bloß alles machen? „Es sind die Menschen, die das umsetzen“, sagt er. Und an denen mangelt es, überall, und besonders hier.

Lehrgänge wie dieser in Enge-Sande, wo fähiges Personal auf die nicht ungefährliche Arbeit an und auf Windmühlen vorbereitet wird, wo auch Extremszenarien wie Havarien im Umfeld von Offshore-Windparks durchgespielt werden, sind wertvolle Beiträge der Industrie auf dem Weg zur Klimaneutralität.

Die drohende Flaute, den Strömungsabriss durch Personalengpass können sie aber nicht allein abwenden. Zumal auch Offtec, Tochterfirma von Greentec, Fachkräfte fehlen, die noch mehr Fachkräfte ausbilden könnten. Zwar wird man hier absehbar die Kursstärke von zehn auf zwölf Teilnehmer erhöhen, mit drei Lehrgängen pro Jahr dann 36 Experten ausbilden können. Mehr aber ist vorerst nicht drin. „Wir haben“, sagt Geschäftsführer Andreas Rauschelbach, „das gleiche Problem wie alle in der Branche.“

Klimademo ja, Klimatechnik nein?

Ein Problem, das nach einer Lösung verlangt, nach Wegen aus der personellen Mangellage. Staatssekretär von der Heide verweist hier auf die Berufsorientierung in den Schulen, darauf, dass man junge Menschen dafür begeistern müsse, „an der schönen Westküste zu bleiben“. Es brauche Anreize für ältere Arbeitnehmer, länger im Beruf zu bleiben. Es brauche Fachkräfte aus dem Ausland. Und nicht zuletzt viel mehr Frauen, die sich für eine Karriere in der Branche entscheiden. „Frauen“, sagt von der Heide, „nehmen sehr begeistert an Klimademonstrationen teil. Sie sind allerdings in überschaubarer Zahl im Bereich der Klimatechnik unterwegs.“

Wie zum Beweis sind alle zehn Teilnehmer des gerade beendeten Lehrgangs, mit dem die Marke von 100 Absolventen durchbrochen wird, Männer. Auf Dauer, das wird an diesem Donnerstag klar, werden die Ausbauziele aber ohne weibliche Fachkräfte wackeln. „Wir müssen“, sagt Björn Ipsen, Hauptgeschäftsführer der IHK Flensburg, mit Blick auf die Windkraft, „einer der Schlüsselbranchen für die Energiewende nicht nur zu mehr Manpower, sondern ausdrücklich zu mehr Womanpower verhelfen.“

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