Schulen in der Pandemie

SPD-Bildungsexperte Martin Habersaat: „Da ist viel Frust“

SPD-Bildungsexperte Martin Habersaat: „Da ist viel Frust“

SPD-Bildungsexperte Martin Habersaat: „Da ist viel Frust“

SHZ
Kiel
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Fordert neue Konzepte, damit Schüler digitaler lernen und in der Corona-Pandemie versäumten Unterrichtsstoff nachholen können: Martin Habersaat. Foto: Marcus Dewanger / SHZ

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Der Sozialdemokrat fordert eine bessere Ausstattung der Schulen und mehr Geld für Lehrer.

Herr Habersaat, heute hört der Bildungsausschuss des Landtags Mediziner, die über die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen zum Schutz vor Covid-19 an den Schulen berichten sollen. Was erwarten Sie davon?

Ich glaube Eltern und Schüler sollen beruhigt werden, dass hohe Inzidenzzahlen nicht unbedingt geschlossene Schulen bedeuten. Das Ansinnen kann ich angesichts steigender Fallzahlen und aufgehobener Kohortenregelungen verstehen.

Kritik an Bildungsministerin Karin Prien

Im Moment wird an den Schulen heiß übers Impfen diskutiert. Hat Bildungsministerin Karin Prien da nicht zu viel Druck auf die Schüler aufgebaut, in dem sie schon vor der Empfehlung der Ständigen Impfkommission fürs Impfen geworben hat?

Nein, da muss ich Frau Prien ausnahmsweise mal in Schutz nehmen. Dass an den Schulen geimpft werden kann, finde ich in Ordnung – auch wenn ich mir von Frau Prien gewünscht hätte, dass sie die Sorgen der Eltern aufnimmt und die Impfung zwar in der Schule stattfindet, aber nicht teilweise Kinder dafür aus dem Unterricht geholt werden. Auch dass Schulen erst kurz vor Ende der Ferien von den Impfungen erfahren und das dann schnell umsetzen sollen, finde ich mehr als verwunderlich. Da weiß Frau Prien nicht, wie es wirklich um die Sorgen von Lehrenden, Eltern und Schülern bestellt ist.

SPD will schnell Luftfilter für die Schulen bestellen

Aber Frau Prien besucht doch Schulen?

Ja, aber nicht, wenn es darauf ankommt.

Wie meinen Sie das?

Es gab Drohungen gegen Schulen, an denen geimpft wird: In Niebüll wurden Lehrende bedroht, in Reinbek haben Querdenker Plakate aufgestellt und in Lübeck sowie Elmshorn Flugblätter verteilt. Eine kurze Erklärung reicht da nicht, Frau Prien hätte sich auch physisch vor die Lehrer stellen müssen.

Bei der Bekämpfung der Pandemie fordern Schulen immer wieder Luftfilter...

...zu Recht. Aber Frau Prien findet Luftfilter erst gut seit der Bund angekündigt hat, deren Anschaffung zu fördern. Andere Bundesländer wie Bremen haben längst welche, Hamburg hat sie lange bestellt, in Schleswig-Holstein werden sie aber erst frühestens Weihnachten da sein. Da haben die Kinder schon einen weiteren Herbst bei offenen Fenstern hinter sich.

Forderungskatalog: Das soll bis Weihnachten passieren

Was muss den jetzt passieren – zumindest mal bis Weihnachten?

Das Land muss auch mal selber Geld in die Hand nehmen – etwa für mehr Schulsozialarbeit. Wir brauchen neue Angebote zum Schließen von Lernlücken. Das können Lehrer nicht allein leisten...

...sondern wer?

Ich wünsche mir Modelle, wo örtliche Nachhilfeinstitute in die Schulen gehen – und vielleicht dann die drei Schüler, die in einer Klasse in Mathe besondere Unterstützung brauchen, in einem eigenen Raum unterrichten.

Was noch?

Ich wünsche mir, dass bis Weihnachten alle Schulen mit digitalen Lernmanagement-Systemen arbeiten können. Dass alle Schüler ein digitales Endgerät haben, das sie nutzen können – auch wenn es zunächst mal bei manchen ein eigenes sein sollte. Digitales Lernen darf nicht vom Zufall abhängen. Und bis Weihnachten muss es an jeder Schule ein Konzept geben, wie man den verpassten Stoff aufholen will. Da muss Frau Prien einen Mindeststandard für alle festlegen – das kann man nicht den Schulen allein überlassen.

Im Zweifel sollen Lehrer mehr Zeit für die Kinder statt für mehr Fachunterricht bekommen

Woran fehlt es denn in den Schulen?

Oft gibt es nach den Ferien Anlaufschwierigkeiten – gerade mit Schülern, die fern vom Unterricht und nicht so gut durch die Distanzlernphase gekommen sind. Wir brauchen mehr Klassenlehrerstunden, um diese Kinder zu fördern. Da ist viel Pädagogik gefragt, und zwar mehr als Fachunterricht...

...aber Sie haben doch gerade gesagt, dass die Schüler verpassten Unterricht nachholen sollen.

Letztlich ja. Aber gutes Lernen funktioniert in einem stabilen Klassengefüge mit einer funktionierenden Gruppe viel besser und schneller als in einem Lernklima, das pädagogische Hintergründe ignoriert.

SPD will Lehrer besser bezahlen

Und was muss sich langfristig ändern?

Wir haben zu wenig Personal – vor allem an den Grundschulen. Da gibt es welche, die Klassen zusammenlegen oder sie an anderen Orten beschulen lassen mussten. Und der Lehrermangel wird weiter zunehmen, auch weil die Regierung die Gehaltsstufe in Schleswig-Holstein erst bis 2026 bei allen Lehrern auf A 13 anheben wird. Hamburg macht das schon bis 2023 und wird uns so überholen. Da wird es immer schwerer, Lehrer im Hamburger Rand davon zu überzeugen, in Schleswig-Holstein zu arbeiten, zumal A 13 in Hamburg ein paar hundert Euro mehr bedeuten kann als A13 in Schleswig-Holstein.

Mal Hand aufs Herz, Herr Habersaat: In einer Pandemie ist es ein echt schwerer Job, Bildungsministerin zu sein. Würden Sie mit Frau Prien tauschen wollen?


Grundsätzlich finde ich SPD-Bildungsminister immer besser als solche von der CDU. Aber klar: Die Lage ist schwer. Und deswegen muss eine Ministerin so viel Gemeinsamkeit wie möglich schaffen – nur macht Frau Prien das nicht. Die Landeselternbeiräte kritisieren, dass sie in Entscheidungen nicht eingebunden und nicht mal darüber informiert worden sind. Auch Schulleiter klagen, dass sie nicht gehört werden. Da ist viel Frust.

Ist Frau Prien noch die richtige für den Job?

Es sind noch neun Monate bis zur Landtagswahl. Man sieht, dass Frau Priens Zustimmung selbst in der CDU sinkt. Ab Mai wird die Position anders besetzt sein, so der so.

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