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Steigender Beratungsbedarf: Verein zur Suizid-Prävention erweitert Kapazitäten

Steigender Beratungsbedarf: Verein zur Suizid-Prävention erweitert Kapazitäten

Verein zur Suizid-Prävention erweitert Kapazitäten

Antje Walther/shz.de
Flensburg
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Verena Balve und Soeren Hauke beobachten immer größeren Beratungsbedarf zum Thema Suizid-Prävention. Foto: Antje Walther/shz.de

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Mehr Personal, mehr Raum, institutionelle Förderung und die Ausweitung des Schulprojekts auf die Nachbarkreise stehen bei Lichtblick in Flensburg an. Eine Hochrechnung kalkuliert mit bis zu 3000 Einzelberatungen in diesem Jahr.

Ein Dutzend Menschen haben sich 2022 in Flensburg das Leben genommen. Laut Jahresbericht des Vereins Lichtblick waren es im Jahr zuvor noch 17. Bei jungen Menschen zwischen 15 und 29 Jahren gilt Suizid statistisch als zweithäufigste Todesursache.

Die Statistik bestärkt den Verein für Suizid-Prävention, der in akuten Lebenskrisen schnelle, diskrete und persönliche Hilfe anbietet, die mehr als 20-jährige Arbeit fortzusetzen. Und neue Schwerpunkte zu setzen. Während der Verein noch vor Jahren selbst in einer Existenzkrise steckte, gilt Lichtblick inzwischen als etabliert. Angesichts weiterhin wachsender Nachfrage nach der Beratung wachsen auch das Team und die Räumlichkeiten.

Schon seit einem Jahr werden drei weitere Räume am Sitz des Vereins im Zuckerhof im Hinterhof der Norderstraße 31 für die Beratungen genutzt. Fast die Hälfte (45 Prozent) der Klienten bei Lichtblick ist inzwischen jünger als 25 Jahre, zwei Drittel sind weiblich (Stand: 2022).

341 Klienten haben sich im vorigen Jahr an Lichtblick gewandt. Im Corona-Jahr 2020 waren es 223, ein Jahr später 191. Im Vorjahr zählt der Geschäftsführer Soeren Hauke 2446 Beratungsgespräche. In den drei Jahren davor zählt er noch weit unter 2000 (2021: 1789, 2020: 1359, 2019: 1379). Einschließlich des Monats April gab es im Jahr 2023 bislang 965 Gespräche mit 226 Klienten. Wenn er jetzt eine Hochrechnung für dieses Jahr aufmacht, rechnet Hauke vor, käme er auf 2800 bis 3000 Beratungen.

Er muss einräumen, dass man zumindest an die Grenzen dessen stoße, was die Lichtblick-Leitlinien vorgeben. „Schnell wird für uns immer schwieriger“, sagt der 41-Jährige.

Warteliste und Höchstzahl an Gesprächen keine Optionen

Mittlerweile stemmt ein achtköpfiges Team aus sieben Mitarbeitern mit pädagogischem Hintergrund und einem Verwaltungsexperten die Nachfrage. Um die Leitlinien weiterhin zu bedienen, wurden die Optionen einer Warteliste und die Begrenzung der Zahl der Gespräche pro Klienten verworfen, berichtet Soeren Hauke. Stattdessen werden, sobald eine Vertrauensbasis zum Klienten steht, die Abstände zum Folge-Gespräch nun auf 14 statt sieben Tage ausgeweitet.

Für die künftige Arbeit und weitere Professionalisierung war kürzlich ein Strategietag anberaumt, der vor allem zum Sortieren genutzt wurde, resümiert die Vorstandsvorsitzende Verena Balve.

Interaktive Präventionsangebote an Schulen von Lichtblick

Neben der einen Säule des unkomplizierten Beratungsangebots steht mit der Prävention an Schulen die zweite Säule, erklärt Balve. Im Jahr 2022 gab es rund 60 Veranstaltungen und wurden fast 1000 Schüler damit erreicht, resümiert Geschäftsführer Hauke. Er erinnert sich an seine Anfangszeit als Geschäftsführer vor fast zehn Jahren, als das Thema noch angstbesetzt war und mancher Termin an Schulen gar nicht erst zustande kam.

Im Vorjahr konnte die neue institutionelle Förderung durch das Land die Lücke auffangen, die das Auslaufen der Finanzierung durch Aktion Mensch riss. Das Land sei auf den Verein zugekommen, freut sich Soeren Hauke über das Interesse unter anderem des Flensburger Landtagsabgeordneten Christian Dirschauer.

Die Landesförderung über zunächst 110.000 Euro und künftig womöglich bis zu 150.000 Euro ermögliche nach den Sommerferien die Ausweitung des Präventionsangebots auf die Kreise Schleswig-Flensburg und Nordfriesland.

Das interaktive Schulprojekt „lifeline“ diene dazu, junge Leute zu erreichen, aber auch Pädagogen zu schulen, erklärt Balve. Durch die Kontakte in die Schulen nehme analog die Beratungsarbeit zu, ergänzt Soeren Hauke.

Die Landesförderung helfe im Bereich der Prävention, sagt Verena Balve. Im „Kern“ des Beratungsangebots in akuten Krisen sei der Verein aber nach wie vor auf Spenden angewiesen.

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Gwyn Nissen Chefredakteur
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