Umweltschützer contra Habeck

Streit um Gas: Braucht Deutschland überhaupt eigene LNG-Terminals?

Streit um Gas: Braucht Deutschland überhaupt eigene LNG-Terminals?

Streit um Gas: Braucht Deutschland überhaupt eigene LNG-Terminals?

SHZ
Berlin/Kiel
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LNG-Tanker in Rotterdam: Reichen die bestehenden europäischen Terminals auch für Deutschlands Flüssiggas-Importe aus? Foto: Lex Van Lieshout Foto: 90037

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Das Bundeskabinett will nächste Woche Pläne von Wirtschaftsminister Robert Habeck zum beschleunigten Bau von LNG-Terminals absegnen. Umweltverbände halten die Bauwerke dagegen für überflüssig. Haben sie Recht?

Anfang kommender Woche will die Bundesregierung einen Gesetzentwurf von Wirtschaftsminister Robert Habeck zum beschleunigten Bau von Import-Terminals für verflüssigtes Erdgas, kurz LNG, beschließen. Die neuen Bauwerke sollen in Brunsbüttel, Wilhelmshaven und Stade entstehen. Bis es so weit ist, sollen dort und voraussichtlich auch in Rostock schwimmende Anlagen stationiert werden. Mit der Einfuhr von Flüssiggas will Grünen-Politiker Habeck in den nächsten Jahren erreichen, dass Deutschland weniger abhängig von Erdgaslieferungen aus Russland wird.

Habeck will Umweltverträglichkeitsprüfung wegfallen lassen

„Der Bau von LNG-Terminals muss dringend und mit Hochdruck vorangetrieben werden, um Lieferwege weiter zu diversifizieren und die Versorgungssicherheit in Deutschland sicherzustellen“, schreibt Habeck in der Begründung zu seinen Plänen. Daher will der Minister für die Terminals unter anderem ein „überragendes öffentliches Interesse“ festschreiben. Die obligatorische Umweltverträglichkeitsprüfung soll wegfallen und der Rechtsweg für Klagen auf eine Instanz beschränkt werden, das Bundesverwaltungsgericht. Auch der schleswig-holsteinische Landtag hat bereits eigene Beschleunigungsschritte beschlossen, um in Brunsbüttel rasch mit dem Terminalbau beginnen und in zwei Jahren fertig sein zu können.

Mehr zum Thema: LNG-Terminal in Brunsbüttel: Landtag will Gesetz in zwei Tagen durchpeitschen

Dagegen halten Umweltverbände wie die Deutsche Umwelthilfe oder die schleswig-holsteinische Bürgerinitiative gegen LNG-Terminals die Anlagen für überflüssig – und erst recht das Eiltempo, in dem Bund und Land sie jetzt bauen wollen. „Während für neue fossile Infrastruktur keine Gesetzesänderung zu abwegig ist und schnell genug durch die Parlamente gepeitscht werden kann, erlebt die Energiewende schon mehrere Vollbremsungen in den letzten Monaten“, wettert Reinhard Knof, Sprecher der Bürgerinitiative. Er fordert Habeck auf, „die jahrelang abgewürgte Energiewende jetzt konsequent voranzubringen, statt massiv in neue fossile Infrastruktur investieren, die uns für die nächsten 30 Jahre in neue Abhängigkeiten treiben würden.“

Katar kann frühestens 2026 verflüssigtes Erdgas liefern

Knof und seine Mitstreiter gehen davon aus, dass in den nächsten Jahren kaum LNG auf dem Weltmarkt verfügbar sein wird, das nicht schon anderweitig gebunden ist. „Derzeit ist ein erheblicher Teil des in Europa importierten LNG russischen Ursprungs. Und der Rest des weltweit produzierten LNG ist durch langfristige Verträge bereits vergeben und steht für Deutschland nicht zur Verfügung“, sagt Knof. Auch der Wüstenstaat Katar, den Habeck eigens besucht hat, um über LNG-Lieferungen zu verhandeln, kann frühestens 2026 verflüssigtes Erdgas in nennenswerten Mengen nach Deutschland exportieren. Und dann könnten die Importe auch über die drei bereits bestehenden Terminals in Rotterdam, Zeebrugge und Dünkirchen abgewickelt werden, meint Knof.

Zwei Studien raten von LNG-Terminals in Deutschland ab

Dass er Recht haben könnte, belegt eine brandneue Studie der Energieberatungsfirma Artelys. Sie kommt zu dem Schluss, dass für einen europäischen Ausstieg aus russischem Erdgas lediglich ein neues LNG-Terminal in der EU notwendig ist – und zwar in der finnisch-baltischen Region. Dagegen würden die „derzeit vorgelegten Vorschläge für neue LNG-Terminals in Deutschland, Italien und Polen aus Sicht der Versorgungssicherheit als unnötig erachtet“, heißt es darin. Zu einer ähnlichen Erkenntnis war vor einem Monat auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin gekommen: „Feste LNG-Terminals in Deutschland zu errichten, ist wegen der langen Bauzeiten und dem mittelfristig stark rückläufigen Erdgasbedarf nicht sinnvoll.“

Mehr zum Thema: Umwelthilfe rügt „Wildwuchs und Überkapazitäten“ bei LNG-Plänen

Habeck dagegen stellt das in der Begründung für seinen Gesetzentwurf anders dar. Nach seiner Auffassung bedürfe es in Deutschland „der schnellstmöglichen Errichtung und Inbetriebnahme landgebundener LNG-Terminals“. Denn: „Die Kapazität der bisher vorhandenen, für Deutschland nur teilweise nutzbaren europäischen LNG-Terminals kann – selbst bei hundertprozentiger Auslastung – den Ausfall der russischen Lieferungen für Europa nur zu einem geringen Teil decken.“

Zu Fragen nach konkreten Zahlen sagt Habeck nichts

Allerdings macht Habeck auf Anfrage von shz.de weder Angaben darüber, wie viel LNG die Bundesrepublik in den nächsten Jahren überhaupt auf dem Weltmarkt kaufen kann, noch darüber, wie viel LNG Deutschland über die Terminals in den Nachbarländern importieren könnte. Stattdessen kritisiert er kurzerhand die Kritiker von der Deutschen Umwelthilfe, die eine Klage gegen den Terminalbau in Brunsbüttel erwägen: „Im Zweifelsfall bringt uns eure Klage in größere Abhängigkeit von Putin“, sagt Habeck. „Das solltet ihr nicht tun.“

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