Dagebüller Muscheltage

Sylter Miesmuscheln: Wie klimaschädlich ist die Nordsee-Delikatesse?

Sylter Miesmuscheln: Wie klimaschädlich ist die Nordsee-Delikatesse?

Wie klimaschädlich sind die Sylter Miesmuscheln

Hagen Wohlfahrt/shz.de
Dagebüll
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Frische Miesmuscheln auf einem Muschelkutter im Wattenmeer vor Hörnum auf Sylt. Foto: Christian Charisius / SHZ

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Aus Sicht des Fremdenverkehrsvereins Dagebüll war die Wiederauflage der Muscheltage nach der Corona-Unterbrechung ein Erfolg. Dieter Hoffmann vom Naturschutzbund (Nabu) übt dagegen Kritik an der Veranstaltung.

Zweimal hintereinander mussten die Muscheltage in Dagebüll seit 2020 Corona-bedingt abgesagt werden, doch am vergangenen Wochenende durften die Liebhaber der Meeres-Spezialität in Dagebüll wieder einmal nach Herzenslust schlemmen. Auf dem Speiseplan standen Miesmuscheln, südlich vor Sylt geerntet.

Viele, für die die Meeresbewohner eine Delikatesse sind, nutzten die Möglichkeit. An die 2000 Besucher dürften es an beiden Tagen gewesen sein, schätzt Klaus Schmidt, Vorsitzender des Fremdenverkehrsvereins, der die Muscheltage veranstaltet.

Nicht jedermanns Sache

Doch Muscheln sind nicht jedermanns Sache. Manche wollen aus Geschmackgründen nicht daran und stecken sie wie Schnecken in die Kategorie: Geht gar nicht.

Wichtige Öko-Funktion

Dieter Hoffmann nennt indes eine Reihe ganz anderer Gründe, weshalb er dem Verzehr von Miesmuscheln nichts abgewinnen kann. „Miesmuscheln haben im Ökosystem Wattenmeer eine wichtige Funktion, sie filtern das Meerwasser, eine Miesmuschel schafft zwei Liter pro Stunde. Sie werden daher auch als die ,Kläranlagen der Meere‘ bezeichnet“, sagt der Vorsitzende der Nabu-Gruppe Niebüll/Leck.

„Miesmuschelbänke sind streng geschützt“, macht der Dagebüller deutlich. In den letzten Jahrzehnten hätten die Bestände in Nord- und Ostsee indes um 90 Prozent abgenommen. „Wie alle Muscheln leidet nämlich auch die Miesmuschel stark unter der Schadstoffbelastung in unseren Meeren“, erklärt Hoffmann. Durch ihre filtrierende Ernährung würden diese Schadstoffe aus dem Meerwasser im Muschelgewebe angesammelt.

Zwar kommen die Verzehrmuscheln aus Anbaugebieten im Wattenmeer. Doch auch dort komme es bei der Ernte „zu nicht unerheblichen Kollateralschäden“. Andere Organismen, die sich dort angesiedelt hätten, würden zerstört.

Einmal Niederlande und zurück

„Bedenklich“ sei der derzeit lange und wenig klimafreundliche Herstellungsprozess speziell für das Muschelfest in Dagebüll. Die Tiere, die vor Sylt aus dem Meer geholt werden, werden per Lkw in die Niederlande transportiert, wo sie gereinigt und entsandet werden. Auf die gleiche Weise kommen sie zurück nach Dagebüll.

Gerade für die Nordsee-Gemeinde, die direkt an ein einzigartiges Nationalparkgebiet grenze, „wäre es wünschenswert, sich in Sachen Klimaschutz vorbildlich zu verhalten“, empfiehlt der Nabu-Ortsvorsitzende. „Ein Sommerfest mit vor Ort produzierten Lebensmitteln würde Gäste wie Einheimische sicher auch erfreuen“, so Hoffmann.

Klaus Schmidt rechtfertigt Prozedere

Klaus Schmidt lässt die Kritik nicht gelten. Die Niederländer, die die Muscheln nicht nur verarbeiten, sondern zuvor auch ernten, würden diese nicht alleine wegen der Muscheltage nach Deutschland zurückbringen. Vielmehr gingen viele Tonnen in den deutschen und den europäischen Markt. Um sie vor Ort zu verarbeiten, müsste indes die Nachfrage hierzulande steigen. „Dafür essen die Nordfriesen zu wenig davon“, so der Muscheltage-Organisator.

Für bedenklich hält Nabu-Funktionär Hoffmann Muscheln zudem aufgrund ihrer Schadstoffbelastung. „Miesmuscheln, auch Pfahlmuscheln genannt, beinhalten zwar viele gesunde Proteine und Vitamine sowie Omega-3-Fettsäuren, leider aufgrund ihrer Filterfunktion auch Schadstoffe wie Blei, Cadmium, Dioxin und gefährliche Toxine aus Panzergeißelalgen“, warnt Hoffmann. Auch wenn Grenzwerte eingehalten würden, besteht dem Vernehmen nach ein Risiko. Denn die Konzentrationen an Schadstoffen könnten trotz Überprüfung bei der Herstellung und Stichproben im Anbaugebiet nicht vollständig erkannt werden.

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