Winter-Reportage auf der Nordsee

„Triton“ holt die Sommertonnen weg und sorgt für sichere Fahrwasser

„Triton“ holt die Sommertonnen weg und sorgt für sichere Fahrwasser

„Triton“ holt die Sommertonnen weg und sorgt für sichere Fahrwasser

SHZ
Tönning/Wilhelmshaven
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Tonne 27 wird aus dem Fahrwasser Süderpiep vor Büsum aus der Nordsee gezogen. Foto: Christian Charisius Foto: 90037

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Auch im Zeitalter von satellitengestützter Navigation sind Fahrwassertonnen unverzichtbar für die Seefahrt. Jedes Jahr zu Beginn des Winters werden Dutzende dieser Seezeichen in der Nordsee getauscht. Dies hat einen einfachen Grund.

Konzentriert steht Kapitän Jörg Diedrichsen auf der Brücke des Tonnenlegers „Triton“. Gerade sind er und seine Crew an der Tonne 27 im Fahrwasser Süderpiep vor Büsum angekommen. Sie wollen die bauchige Sommertonne gegen eine schlankere Wintertonne tauschen.


Während seine Mannschaft den Kran in Bewegung setzt, um das tonnenschwere Seezeichen mit rund zweieinhalb Metern Durchmesser aus der Nordsee zu hieven, muss der Kapitän das Schiff auf Kurs halten. „Das ist jetzt die Kunst“, sagt Diedrichsen. An die Tonne ranfahren und dort die Position zu halten ist bei Wind, Wellengang und Strömung nicht ganz einfach.

Knapp 40 dicke Sommer-Seezeichen werden derzeit wie jedes Jahr vor der schleswig-holsteinischen Nordseeküste von List bis zur Elbmündung aus dem Wasser geholt und gegen schlanke Wintermarkierungen ausgetauscht. Dabei werden rund 20 Eistonnen eine Batterie-Leuchte haben, die anderen etwa 18 kommen ohne Lampe aus. Diese sogenannten blinden Tonnen kommen in den Fahrwassern zum Einsatz, wo im Winter der Betrieb nicht so stark ist.


Das Wasser- und Schifffahrtsamt Elbe-Nordsee ist für rund 600 Kilometer Fahrwasser zwischen der Elbe und der dänischen Grenze zuständig. Insgesamt markieren in diesem Bereich der Nordsee rund 620 beleuchtete und unbeleuchtete Seezeichen die Fahrtrouten.

Im Frühjahr werden die Wintertonnen wieder gegen die Sommerbetonnung ausgetauscht. Zwei Tonnenleger sind hier im Einsatz: Die „Triton“ aus Büsum ist für das Gebiet südlich von Sankt-Peter-Ording zuständig. Die „Amrum Bank“, die auf Amrum stationiert ist, tauscht die Tonnen von Sankt-Peter-Ording bis List auf Sylt.


Niedersachsen tauscht früher

Auch vor der niedersächsischen Nordseeküste werden die Tonnen ausgetauscht – dort sind die Fachleute aber schon weiter. „Mit der Winterbetonnung sind wir jetzt um diese Zeit schon durch“, sagt Jens Petersen, zuständig für das Schifffahrtszeichenwesen beim Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Weser-Jade-Nordsee, in Wilhelmshaven Mitte November.

Insgesamt werden mehrere Dutzend Tonnen in Petersens Zuständigkeitsbereich ausgetauscht. Sein Amt hat zwei Tonnenleger im Einsatz: Einmal den Tonnenleger „Schillig“, zuständig vor allem für die küstennahen Fahrwasser und die Watten, sowie einen größeren Tonnenleger, das Gewässerschutzschiff „Mellum“, das überregional zum Einsatz kommt. Mit der „Mellum“ werden zum Beispiel auch die Wintertonnen auf den größeren Schifffahrtswegen ab der niederländischen Seegrenze ausgelegt.

Darum müssen die Tonnen getauscht werden

Grund für den Wechsel ist, dass sich bei Frost im flachen Wattenmeer relativ schnell Eisschollen bilden. Dieses Treibeis driftet mit dem Tidenstrom durch die Priele und die Fahrwasser und zerrt an den schwimmenden Seezeichen. Die schmaleren Wintertonnen werden während des Eisganges heruntergedrückt und tauchen später wieder auf, wie der Kapitän der „Triton“ Diedrichsen erklärte.

Größere Tonnen hingegen könnten bei Eisgang im Winter untergetaucht oder gar zerstört werden, sagte Petersen. Zudem könnten die größeren Seezeichen bei Eisgang und Sturm eher fort driften. Das bedeutet, dass sie tonnenschweren Ankerstein und die Kette hinter sich herziehen und ihre Position verlassen.


Hinzu kommt: Die LED-Seelaterne und die Solarpaneele, die etwa auf den schleswig-holsteinischen Sommerleuchttonnen installiert sind, haben ihren Preis. Eine solche Tonne kann samt Stein und Kette rund 20.000 Euro kosten, eine Eistonne nur etwa halb so viel, sagt Kay Hulgaard vom WSA Elbe-Nordsee. Ein Verlust durch Eisgang wäre also nicht nur eine Gefahr für die Schifffahrt, sondern auch richtig teuer.


Die Sommertonne „Süderpiep 27“ hängt mittlerweile sicher am Kran. Sie wird mit einem Hochdruckreiniger von Muscheln, Algen und Seepocken befreit, die sich im Sommerhalbjahr an der Unterseite festgesetzt haben, dann auf das Deck gelegt.

Die Ketten werden gelöst, an der Wintertonne befestigt und mehrfach aufgekürzt, damit ein Kontergewicht entsteht, wie Diedrichsen erklärt. Dies sei wichtig, damit die Tonne lotrecht stehen bleibt. Dann wird das Seezeichen ins Nordseewasser gelassen. „Jetzt heißt es aufpassen, dass man sich rechtzeitig löst und nicht drüberfährt.“ Das Manöver gelingt problemlos.

Aber werden die Tonnen in Zeiten von satellitengestützer Navigation die sogar bei vielen Hobbyskippern mittlerweile Einzug gehalten hat, überhaupt noch benötigt? Ja, findet Diedrichsen. Nicht nur wenn die Elektronik mal ausfallen sollte, seien sie wie Leuchttürme wichtige Erkennungszeichen.

Und auch der niedersächsische WSA-Mann Petersen würde auf die Schifffahrtszeichen nicht verzichten wollen: „Fahren Sie mal mit dem Auto auf der Straße ohne Ampeln, Straßenlaternen und Fahrbahnmarkierung. Ohne sie könnten wir uns nicht bewegen“, sagt er. „Genauso ist es mit den Schifffahrtszeichen, mit den Tonnen auch. Sie sind unsere Fahrbahnmarkierung auf dem Wasser.“

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