Klimakrise in Nordfriesland

Verzicht auf Öl oder Gas: Die Tessins heizen mit Strom aus Wasserstoff und retten so das Klima

Die Tessins heizen mit Wasserstoff und retten so das Klima

Die Tessins heizen mit Wasserstoff und retten so das Klima

Birger Bahlo/shz.de
Nordfriesland
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Wiebke und Jörg Tessin vor ihrem Wasserstofftank: links die Druckflaschen, rechts hinter der Abdeckung der Kompressor zum Verdichten des Gases. Foto: BIRGER BAHLO/shz.de

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Bei Jörg und Wiebke Tessin machen Photovoltaik-Anlagen Strom, der in Wasserstoff gespeichert wird. Eine Brennstoffzelle macht daraus bei Bedarf wieder Strom. Mit der neuen Anlage soll es in den Winter gehen.

Von wegen Gas-Krise. Wiebke und Jörg Tessin stellen ihr Gas selbst her, um durch den nächsten Winter zu kommen. Kürzlich hat das Struckumer Ehepaar sich eine Wasserstoff-Anlage für den privaten Hausgebrauch installieren lassen – nach Angaben des Herstellers die erste in Schleswig-Holstein. Sie sind damit völlig unabhängig von Energieversorgern, ganz im Gegenteil speisen sie den produzierten Strom sogar ins öffentliche Netz ein.

Interessant ist, wie Tessins sich den Erneuerbaren Energien allmählich angenähert haben. Den ersten Impuls setzte bereits Ende der 1970er Jahre ein Schwede. Der grübelte, dass man den Strom aus seinen Windmühlen doch speichern müsste – vielleicht in Wasserstoff, dachte er damals. 1998 stellte eine Landschaftsgärtnerin in Struckum ihre Ideen zu einem neuen Wohngebiet vor. Da wünschte sich Jörg Tessin, dass die Häuser möglichst gen Süden ausgerichtet werden sollten – um die Energie der Sonne mit Solarmodulen auf dem Dach optimal einfangen zu können.

Seit 2000 mit Solarthermie auf dem Dach

Wenig später fingen er und seine Frau im Neubau am Grünen Weg an, ihre Ideen nach und nach zu verwirklichen. Im Jahr 2000 kam eine Solarthermie-Anlage aufs Dach, die Brauchwasser erwärmt. Später kam Photovoltaik für die Stromproduktion hinzu. Und vor zehn Jahren installierten sie eine Wärmepumpe (Geothermie), die die Fußbodenheizung versorgt. Damit waren wesentliche Bausteine zur Hand für den ultimativen Schritt zur Wasserstoff-Anlage.

Jörg Tessin spricht aber erst einmal die Grenzen an, die die erneuerbaren Energien haben könnten. Immerhin ist er Mitgründer des örtlichen Bürger-Windparks und engagiert sich bis heute in deren Gremien. Sein Beispiel: Absolute Windstille in den Nächten, wie wir sie gerade jetzt erleben. Weder Windräder noch PV-Anlagen produzieren dann Strom. Bereits vor vielen Jahren hatte er darum auch als Kommunalpolitiker für Speicher-Technologien geworben, doch die Bundespolitik habe dem Leitungsbau für den Abtransport des Windstroms aus Nordfriesland den Vorrang eingeräumt. Also wollte er gerne für sich den wohl zuverlässigsten „Strom-Speicher“ einbauen, der zurzeit in Sicht ist: Wasserstoff.

So funktioniert Heizen mit Strom aus Wasserstoff

Jörg Tessin war Physiklehrer, also lässt er sich gerne auf den Wunsch seines Besuchers ein, nun mal Schritt für Schritt eine solche Wasserstoff-Anlage zu erklären. Aus der Energie der Sonne produziert die PV-Anlage Strom. Der wird im Alltag in elektrischen Geräten, Lampen oder der Wärmepumpe verbraucht. Liefert die Anlage mehr als benötigt, wird der Strom in einem Akku gespeichert. Ist der voll, kommt der große Moment für die Wasserstoff-Anlage.

Erkennt die, dass Strom im Haus „über“ ist, trennt sie im Elektrolyseur Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff. Der Wasserstoff wird außerhalb des Gebäudes in fast mannshohen Gasflaschen unter hohem Druck gespeichert. Brauchen die Tessins nun mehr Strom für die Wärmepumpe, die ihr Haus heizt oder für die alltäglichen Dinge im Haushalt, dann legt die Brennstoffzelle los. Sie kehrt den Prozess um und macht aus dem Wasserstoff und Sauerstoff wieder Strom. Dabei fällt auch wieder Wärme an, die in den Heizungskreislauf zurückgeführt wird.

Reserve für harte Winter: Kaminofen im Wohnzimmer

Eine Reserve sei noch angesprochen, die Tessins in einem womöglich besonders harten Winter hätten: der Kaminofen im Wohnzimmer. Jörg Tessin fügt hier den Gedanken ein, das Aus für Kaminöfen angesichts der bedrohlichen Entwicklung der Energiepreise auszusetzen oder ganz aufzuheben. Öfen der Jahrgänge 1995 bis 2010 sollen ab Ende 2024 wegen möglicher Feinstaub-Belastungen verboten sein. Sie böten Menschen mit niedrigerem Einkommen ein Stück Sicherheit, doch noch gut über den Winter zu kommen.

Wiebke und Jörg Tessin wohnen jetzt CO2-frei

In diesem Haus ist keine Spur mehr zu sehen von der einstigen Ölheizung. Deren Platz haben nun die technischen Anlagen der Heizung mit Strom aus Wasserstoff eingenommen. Hier wird nun CO2-frei geheizt, Tessins privater Schritt, um CO2-frei zu wohnen und einen Teil zur Rettung des Klimas beizutragen.

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