Betrugsprozess Ausländerbehörde

„War nicht ganz aufrichtig“: Ex-Kreisbeamter weitet Geständnis aus

„War nicht ganz aufrichtig“: Ex-Kreisbeamter weitet Geständnis aus

„War nicht ganz aufrichtig“: Ex-Kreisbeamter weitet Geständnis aus

SHZ
Flensburg/Husum
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Die beiden Angeklagten am ersten Prozesstag – links der zweite Angeklagte, mittig der Ex-Fachgruppenleiter der Ausländerbehörde und sein Rechtsbeistand. Foto: Marcus Dewanger Foto: 90037

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Am Vormittag des zweiten Prozesstags spricht der angeklagte Ex-Mitarbeiter der Ausländerbehörde darüber, wie es wirklich mit den Bezahlungen für Aufenthaltsgenehmigungen gewesen sei und wie sich die Beziehung zu „Elvis“ veränderte.

Er habe doch aktiv Geld dafür verlangt, rechtswidrig Aufenthaltsgenehmigungen für Menschen aus dem Kosovo auszustellen, musste der angeklagte Ex-Fachgruppenleiter am zweiten Prozesstag einräumen. Zuvor hatte der Vorsitzende Richter Sven Naumann deutlich gemacht, dass die Verfahrensabsprache im Betrugsprozess hinfällig werden könnte, weil das Geständnis die besprochenen Voraussetzungen bisher nicht erfülle.

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Die Absprache beinhaltet nämlich, dass der Angeklagte zu sieben der ihm vorgeworfenen Taten ein umfassendes Geständnis ablegt. Er soll zwischen 2005 und 2009 Menschen aus dem Kosovo unrechtmäßig Aufenthaltsgenehmigungen gegen Geld verschafft haben, was er in weiten Zügen auch zugibt.

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Geständnis reicht so nicht

Allerdings hatte er in seinem Geständnis am Dienstag Tatvorwürfe wie Bestechung oder gewerbsmäßige Einschleusung nicht bestätigt. Er hatte die finanzielle Misere dargelegt, in der er Anfang der 2000er Jahre gesteckt habe. Zudem berichtete er von seiner Spielleidenschaft – ob es sich um eine Spielsucht handelt, soll gegebenenfalls noch von einem Sachverständigen geklärt werden.

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Jedenfalls soll es ein dubioser Poker-Partner mit dem Spitznamen „Elvis“ gewesen sein, der ihn durch Drohungen genötigt habe, die ersten beiden Aufenthaltstitel für die ihm unbekannten Menschen auszustellen, hatte der 54-Jährige erklärt. Nachdem er den zweiten Auftrag erfüllt hatte, habe er von „Elvis“ einen Umschlag mit 2000 Euro in die Hand gedrückt bekommen. Das sei auch bei den folgenden Taten geschehen, an die er sich aber nicht mehr detailliert erinnern könne.

Absprache auf der Kippe

Und darin liegt aus Sicht der Kammer ein Problem: Gerade bei der Schilderung der zweiten Tat habe die Kammer Zweifel, dass der Tatbestand der Bestechung erfüllt sei, da der Angeklagte sagte, er habe die Papiere aufgrund der Drohungen ausgestellt und das Geld unaufgefordert erhalten. Dass er gewerbsmäßig gehandelt habe, gehe aus dem bislang erfolgen Geständnis auch nicht hervor, so Naumann. Somit stünde die Absprache auf der Kippe. Sollte die Kammer entscheiden, dass sie nicht mehr gültig ist, hieße das, dass das bisherige Geständnis nicht gewertet werden darf. Es hieße aber auch, dass der Angeklagte nicht mehr sicher sein könnte, ohne Haftstrafe aus der Nummer heraus zu kommen.


„Nicht für lau"

Nach Beratung mit seinem Rechtsanwalt erklärte der Angeklagte, er sei bei seinem Geständnis „nicht ganz aufrichtig gewesen“. Als der Mittelsmann „Elvis“ nach dem ersten Auftrag wieder bei ihm aufgetaucht sei und von ihm verlangt habe, noch einen weiteren Aufenthaltstitel auszustellen, habe er gesagt, er mache das aber „nicht für lau“. Daraufhin seien ihm 2000 Euro angeboten worden. Bei allen weiteren Taten habe er im Vorfeld an die Bezahlung erinnert.

„Es war dann so 'ne Art Geschäftsbeziehung"

Im weiteren Prozessverlauf geht es auch um das Verhältnis zwischen dem Angeklagten und „Elvis“. Ob er nach den ersten Fällen noch von dem Mittelsmann bedroht worden sei, fragt Naumann. Das sei nicht mehr notwendig gewesen, erwidert der Angeklagte: „Nach dem zweiten Mal war klar, dass ich da mit drin stecke.“ Ob er Angst gehabt habe? „Man hat ständig Angst. Angst, dass das irgendwo auffällt“, erklärt der Angeklagte, der von 1989 bis 2010 beim Kreis Nordfriesland tätig war. Auch Angst vor dem Mittelsmann? Die Angst sei mit jeder Tat weniger geworden: „Es war dann so 'ne Art Geschäftsbeziehung.“

Mann, dem Kollegen vertrauen

Die Befragung des Angeklagten, der in einzelnen Situationen nervös, aber grundsätzlich gefasst wirkt, wird über den gesamten Prozesstag fortgesetzt. Emotional wird der Familienvater im Zusammenhang mit der einstigen Arbeit der Ausländerbehörde: Er wisse ja, welches Bild von ihm gezeichnet würde, „dass des ganz harten Rechten, der keine Ausländer mochte“. Nach seinen Schilderungen ist er durchaus besonnen mit den ihm offiziell zugetragenen Fällen umgegangen. Er sei zudem ein Mitarbeiter gewesen, dem seine Kollegen und Vorgesetzten vertraut hätten.

Wie viele Fälle?

Ins Stocken gerät er bei der Frage der Staatsanwältin, wie oft er in den Jahren Aufträge von „Elvis“ erfüllt habe. Sie wüsste dies gern, weil es eventuell klarer mache, wieso sich der Angeklagte an die Fälle, die ihm vor Gericht vorgeworfen werden, so schlecht erinnern könne. Auf Anraten seiner Anwälte beantwortet er die Frage nicht. Er erklärt aber, er habe die Taten, nachdem er aufgeflogen ist, bewusst verdrängt – deshalb sei seine Erinnerung so schlecht. Er sei in einer psychischen Ausnahmesituation gewesen, in der er Schutzmechanismen entwickelt habe.

Der Prozess wird am 13. Juni fortgesetzt.

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