Verkehr in Flensburg

Warum Wunschkennzeichen so emotional und manche verboten sind

Warum Wunschkennzeichen so emotional und manche verboten sind

Wunschkennzeichen: emotional und manche verboten

SHZ
Flensburg
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Beispiel für ein potentiell doppeldeutige Kennzeichen: In Österreich schon verboten, hierzulande nicht. Foto: Antje Walther /SHZ

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Wer schon mal die Kombination AH-88 im Straßenverkehr erblickt hat, mag sich fragen: Ist das erlaubt? Jan Wiese, Leiter der Straßenverkehrsbehörde in Flensburg, und das Verkehrsministerium klären auf.

Mit dem Kennzeichen-Scan-Blick entdeckt sie der aufmerksame Autofahrer sofort: Buchstaben- und Zahlenkombinationen, die ein Schmunzeln erzeugen: MO-IN zum Beispiel am Fahrzeug aus Moers vom Niederrhein. Oder aber solche, die sogar optisch geschmacklos sind. Die Lettern AH zählen dazu, die Zahlenfolge 88 oder 18 ebenso. Doch sogar die Kombination aus beiden – AH-88 – wurde schon gesichtet.

Jan Wiese erklärt, dass ein solches Kennzeichen im Rahmen des Erlaubten sei. Gesperrt hingegen sind nach Auskunft des Leiters der Straßenverkehrsbehörde in Flensburg Kombinationen, die sich auf die gewaltbereiten Organisationen des Nationalsozialismus beziehen. Wiese nennt als Beispiele die Doppelbuchstaben KZ, HJ, SS, SA und NS.

Weiterlesen: Rechte Nummer – Streit über Nazi-Kennzeichen an Autos

„In Schleswig-Holstein ist seit Anfang der 1960er Jahre mit Erlass geregelt, dass die Buchstabenkombinationen KZ, HJ, SS, SA und NS in der Erkennungsnummer nicht ausgegeben werden dürfen“, heißt es in einer Auskunft des Kieler Verkehrsministeriums vom Februar 2020 auf Bitte des Innen- und Rechtsausschusses.

Als Erkennungsnummer wird die Buchstaben- und Zahlenfolge nach der sogenannten Unterscheidungsnummer, also dem Kürzel für den Verwaltungsbezirk, bezeichnet.

Debatte auf Länderebene über „Nazi-Codes“

Die SPD-Fraktion hatte im September 2017 unter der Überschrift „Keine Nazi-Propaganda auf Kfz-Kennzeichen“ beantragt, weitere Kombinationen zu verbieten und ausgegebene Schilder einzukassieren. Mit Plenarbeschluss vom 12. Oktober 2017 hatte der Landtag den Antrag an den Fachausschuss überwiesen, der ihn abschließend am 11. März 2020 beriet.

Mit den Stimmen von CDU, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und AfD gegen die Stimmen der SPD bei Enthaltung des SSW empfahl der Ausschuss dem Parlament die Ablehnung des Antrags der Sozialdemokraten – so kam es dann auch.

Verstoß gegen die guten Sitten ist unzulässig

Bundeseinheitliche Regelungen gibt es nicht; das Thema ist Ländersache. Die Zuteilung der Kennzeichen erfolgt laut Auskunft des Verkehrsministeriums durch die Zulassungsbehörde.

Ihr Ermessen bei der Auswahl der Erkennungsnummer sei beschränkt durch den Paragraphen 8 Absatz 1 Satz 3 der Fahrzeug-Zulassungsverordnung (FZV). Demnach „dürfen die Zeichenkombination der Erkennungsnummer sowie die Kombination aus Unterscheidungszeichen und Erkennungsnummer nicht gegen die guten Sitten verstoßen.“

Auch Beleidigungen sind verboten

Maßstab sei hierbei (laut einem Urteil des BGH von 1977) „das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“. Als sittenwidrig, so heißt es in der Rechtsauskunft des Ministeriums an den Ausschuss im Februar 2020, würden beispielsweise „Kennzeichen mit politisch extremistischem Symbolgehalt“ eingestuft.

Geregelt sei auch, dass die Zulassungsbehörde im Rahmen der Prüfung die Ausgabe „anstößiger oder beleidigender Kombinationen“ ausschließen muss. Der zuletzt 2012 aktualisierte Erlass regele schließlich, „dass auch weitere Buchstaben und/oder Zahlenkombinationen, die in Verbindung mit ehemaligen nationalsozialistischen Vereinigungen oder Einrichtungen gebracht werden können, bei der Zuteilung nicht in Betracht kommen können“. Als Beispiel fallen die „Nichterteilung der Zeichenkombinationen HEI-L oder IZ-AN in den Kreisen Dithmarschen und Steinburg“ hierunter, also sowohl der Nazi-Gruß und das Wort Nazi rückwärts geschrieben.

Die Kombination „IS“

Initialen, die auch für handelnde Personen in jener Zeit stehen könnten, sind vom Verbot nicht betroffen. Jan Wiese von der Straßenverkehrsbehörde gibt als Beispiel das Kürzel KD, das nicht sanktioniert sei und auch die Abkürzung von Karl Dönitz sein könnte. Ausgerechnet in Flensburg, sagt Wiese. Er glaubt aber, dass die potentiellen Codes vielen Menschen auch gar nichts sagen.

Eine seiner Kolleginnen, deren Vorname mit I und deren Nachname mit S beginnt, fahre seit vielen Jahren mit dem entsprechenden Kennzeichen aus den Initialen; IS sei jedoch erlaubt und nicht mit dem Bann belegt, der für Nazi-Organisationen gilt. In Österreich ist es hingegen verboten.

Wunschkennzeichen – ein emotionales Thema

Einen Anspruch auf ein Kennzeichen gibt es nicht, ein Wunschnummernschild kann aber für eine zusätzliche Gebühr vergeben werden. „Wir werten das nicht aus, aber ich würde sagen, dass drei Viertel der Menschen Wunschkennzeichen wählen“, schätzt der Leiter der Straßenverkehrsbehörde Jan Wiese.

Die Anfangsbuchstaben des Partners oder anderer Familienangehöriger seien beliebt zusammen mit Geburtsjahr oder Hochzeitstag etwa. Und wenn es einen Senior geben sollte, Jahrgang 1933, der noch ein Auto anmeldet, könnte auch er die vierstellige Folge 1933 wählen, die inzwischen möglich sei.

Wunschkennzeichen – das sei oft ein sehr emotionales Thema, ja „ein Stück Identität“, beobachtet Wiese und berichtet von HSV-Fans, die sicherlich am Steuer eines Autos mit der Zahlenfolge 1887 sitzen. Häufig würden auch Studenten beispielsweise ihre Heimat-Kennzeichen mitnehmen, weil sie gern zeigten, dass sie aus Leipzig oder Ostholstein an die Förde gekommen sind. Geändert werden muss es dann erst mit einem neuen Fahrzeug.

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