Ostsee

Was die historische Sturmflut für den Klimaschutz heute lehrt

Was die historische Sturmflut für den Klimaschutz heute lehrt

Was die historische Sturmflut für den Klimaschutz lehrt

Antje Walther/shz.de
Flensburg
Zuletzt aktualisiert um:
Pegelstand von 1872 am Flensburger Kompagnietor. Das nahe Schifffahrtsmuseum nimmt das Jahrhundertereignis als Anlass für eine neue Ausstellung. Foto: Staudt/shz.de

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Im November 1872 brach eine Flut über die Ostseeküste herein und kostete 271 Menschenleben. Eine Ausstellung im Schifffahrtsmuseum schlägt den Bogen zum Heute und warnt vor der Klimakatastrophe.

Wäre Sturmflut und das Jahr 2100: Das Schifffahrtsmuseum stünde unter Wasser, und Holnis wäre eine Insel. Auf dem Touchscreen verschiebt Kerstin Meise den Meeresspiegel und die Zeit; das Ergebnis ist auf einer digitalen Landkarte zu sehen. „Was wäre, wenn wir so weiter machen wie bisher“ – fragt die Leiterin des Naturwissenschaftlichen Museums und lässt das Modell antworten: Landunter allerorten!

„Landunter“ heißt die neue Ausstellung im Flensburger Schifffahrtsmuseum an der Schiffbrücke, und im Untertitel „Klima, Wetter und viel Wasser“. Das Naturwissenschaftliche Museum hat hierzu das digitale Modell beigesteuert, mit dem wir „das Hochwasser selbst in die Hand nehmen können“, sagt Meise.

Auch Ozeanforscher vom Geomar beteiligt

Weitere Partner des Gemeinschaftsprojekts anlässlich des Jahrhundertsturmhochwassers von 1872, das 271 Menschenleben kostete, sind das „GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung“ aus Kiel und das Ausstellungsbüro „gwf-ausstellungen, konzept & gestaltung“ aus Hamburg. Schirmherr ist Robert Habeck, Bundesminister für Klimaschutz aus Flensburg.

„Klima ist nicht gleich Wetter“ vermitteln die Ausstellungsmacher. „1872 war ein Wetterereignis“, sagt Gerd Hoffmann-Wieck vom Geomar. Ihm gefällt, dass die Ausstellung die historische Katastrophe mit einem „äußerst aktuellen Thema“ verbindet.

„Im Rahmen des Klimawandels findet auch ein Ozeanwandel statt“, unterstreicht er. Lange habe man anhand von Bildvergleichen aus der Antarktis geglaubt, dass sie an der Entwicklung unbeteiligt sei. Bis man die Eisdicke zu messen begann, berichtet Hoffmann-Wieck.

Sein Institut stellt einige Exponate zur Verfügung. Beispielsweise ist ein Modell der „Poseidon“ ausgestellt, ein mittelgroßes Forschungsschiff, das nach 539 Expeditionen im Auftrag der Ozeanforscher vom Geomar nun als Seawatch IV Flüchtlinge rettet.

Auch was es mit Hosenboje und Korkweste auf sich hat, erfahren die Besucher. Und sie lernen Modelle des Satelliten Sentinel-6 und des Tiefendrifters Argo Float kennen. Aufgabe des Satelliten ist die Messung des Anstiegs des Meeresspiegels. Und die autonomen Roboter liefern Daten aus den Tiefen der Weltmeere.

Dass es der Mensch tatsächlich in der Hand hat, das Klima zu schützen, ist bei allen besorgniserregenden Fakten ein zentrales Thema der Ausstellung. „Wir können es alle nicht mehr hören“, beobachtet Nina Holsten vom gwf-Ausstellungsbüro, zumal trotzdem zu wenig passiert. Umso mehr habe man von Anfang an das Anliegen verfolgt, „die Dringlichkeit klar zu machen.“ Und dem Klima-Fußabdruck einen Handprint entgegenzusetzen. „Seinen Handabdruck vergrößern, heißt, andere mitnehmen, etwas zu tun und es auf alle Schultern zu legen“, erklärt die Ausstellungsmacherin.

So können an einer Wand kleine Alltagsziele festgesteckt werden wie gemeinsam mit der Familie häufiger den öffentlichen Nahverkehr zu nutzen.

Nachhaltig: „Mare“-Magazine als Hocker

Die Ausstellung werde ungewöhnlich lange, ab dem 13. November bis zum 27. August im Schifffahrtsmuseum zu sehen sein – „weil sie wichtig ist“, bringt Hausherrin Susanne Grigull auf den Punkt. Wahrscheinlich musste sie auch deshalb niemanden überzeugen, sich dem Vorhaben anzuschließen. Um ganz konsequent zu sein, wollte man lediglich vorhandenes Material nutzen und trotzdem ästhetisch sein, erklärt die Museumsleiterin. So kommt es, dass unzählige alte Zeitschriften zu schicken Hockern umfunktioniert wurden und als schwere Stapel Größenverhältnisse veranschaulichen, wenn es um Kohlendioxid-Ersparnis geht. Auch nach der Ausstellung sollen die Magazine – „Mare“ natürlich – einem guten Zweck zugeführt werden.

Mehr lesen