Geschichte

Forscher: Dänischer König wollte Schweden umgarnen – mit einem Fisch

Forscher: Dänischer König wollte Schweden umgarnen – mit einem Fisch

Forscher: Dänischer König wollte Schweden mit Fisch umgarnen

Kopenhagen
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Gribshunden
Ungefähr so soll die Gribshunden ausgesehen haben – bevor ein Feuer sie auf den Meeresgrund senkte. Foto: Ingemar Lundgren / Ocean Discovery

Um die Kalmarer Union zu retten, stach König Hans vor 525 Jahren mit allerlei Geschenken in See. Doch sein Flaggschiff sank. Ein im Wrack gefundener Stör sorgt nun Jahrhunderte später für Zwietracht zwischen dänischen und schwedischen Historikern.

Die Europäische Union ist längst nicht der erste Staatenbund, dem die nordischen Nachbarländer Dänemark und Schweden angehörten. Schon im Mittelalter gab es die sogenannte Kalmarer Union, zu der auch Norwegen gehörte und die von der Elbe bis nach Island und Finnland reichte.

Anders als bei der EU gab es damals jedoch keine bindenen Verträge – beziehungsweise Unterschriften unter ebensolchen – und somit war der Bund der nordischen Königreiche ein fragiles Gebilde.

Nicht nur der Kampf mit Holstein und der Hanse um das Herzogtum Schleswig bedrohte damals immer wieder auch den inneren Frieden –  dem schwedischen Hochadel war die dänische Dominanz in der Union ein Dorn im Auge.

König Hans auf politischer Mission von Kopenhagen nach Kalmar unterwegs

Um den Frieden innerhalb der Union zu sichern, stach deshalb der damalige König Johannes I., genannt Hans, mit seinem Flaggschiff Gribshunden in Kopenhagen in See. Doch das mächtige Kriegsschiff schaffte es nicht bis nach Kalmar – und versank nach einem Feuer an Bord vor Ronneby in Blekinge in der Ostsee.

Erst in den 1970er Jahren wurde das Wrack auf dem Meeresgrund von Freizeit-Tauchern aus der Gegend gefunden – und erst 30 Jahre später berichteten sie Archäologen von ihrem Fund, den sie lange für nichts Besonderes hielten. Und seither haben Marinearchäologen dort bemerkenswerte Entdeckungen gemacht. Unter anderem eine Armbrust, Fragmente von Kettenrüstungen und Silbermünzen.

Stör
Störe können gewaltige Größen erreichen. Hier ein 2,5 Meter langer Weißer Stör, fotografiert am Fraser River im kanadischen Vancouver. Foto: Ben Wicks / Unsplash

Stör des Anstoßes

Und auch die Überreste eines zwei Meter langen, ausgenommenen Fisches in einem Holzfass fanden Forscher.

DNA-Analysen aus Schweden zeigen, dass es sich vermutlich um einen Atlantischen Stör handelt, schreibt das dänische Wissenschaftsmagazin „Videnskab.dk“ nun.

Der Stör war im 15. Jahrhundert ein Prestigeobjekt und in einer jüngst erschienenen Studie schließen Forscher in Schweden, dass der Fisch mit auf die Mission nach Kalmar genommen wurde, um den Schweden zu imponieren und die schwedischen Oberen von der Macht des dänischen Königs zu überzeugen.

Da sich an Bord weitere prestigeträchtige und wertvolle Gegenstände befanden,  meinen die Forscher, dass der Stör eines von mehreren „Argumenten“ des Königs für den Verbleib Schwedens in der Union dargestellt hat.

Die Überreste des Störs von der Gribshunden. Der Atlantische Stör ist heute in der Ostsee ausgestorben und auch insgesamt bedroht. Foto: Brendan Foley

Fisch als Propagandawerkzeug? Absurd, heißt es aus Kopenhagen

„Der Stör in der Speisekammer des Königs war, wie das ganze Schiff, ein Propagandawerkzeug. Alles auf dem Schiff hatte eine politische Funktion, was das Wrack besonders interessant macht“, sagt der Ausgrabungsleiter und Marinearchäologe Brendan Foley von der Universität Lund in einer Pressemitteilung.

Doch die Mittelalter-Expertin Vivian Etting vom dänischen Nationalmuseum in Kopenhagen sieht das laut „Videnskab.dk“ anders.

„Der Fund eines riesigen Fisches, der mittels DNA-Analysen bestimmt werden kann, ist toll und interessant, aber zu sagen, dass er auf dem Schiff dabei war, um als eine Art Propaganda-Instrument zu dienen, das der dänische König den schwedischen Reichsvorstehern schenken wollte, um an den schwedischen Thron zu gelangen, ist eine absurde Schlussfolgerung“, sagt sie dem Magazin.

Die Forscher aus Schweden begründen ihre Interpretation damit, dass der Stör damals ein Luxusgut war, wie auch andere Gegenstände, die auf der Gribshunden gefunden wurden, den ökonomischen und politischen Status symbolisieren sollten.

„Das Vorzeigen des Flaggschiffes, das mit prestigeträchtigen Objekten, Tieren und Menschen gefüllt war, war eine beeindruckende Manifestation von Macht mit dem Ziel, das schwedische Militär, den Adel und die Politiker, die ihn in Kalmar erwarteten zu beeindrucken“, heißt es in der im „Journal of Archaeological Science“ veröffentlichten Bericht aus Lund.

Doch Etting ist skeptisch. Sie selbst hat sich früher mit der Analyse von Funden der Gribshunden beschäftigt und meint, es sei unklar, weshalb der Fisch sich an Bord befunden habe. „Vielleicht wollte der König ihn selbst essen. Es wird absurd, wenn man ihn als Teil der Verhandlungen, die Union wiederzuerrichten, interpretiert“, sagt sie.

Der König habe sich zum damaligen Zeitpunkt bereits als rechtmäßigen Herrscher der Union aus Dänemark, Norwegen und Schweden betrachtet. „Es ist unwahrscheinlich, dass er es als notwendig erachtete, sich bei den schwedischen Reichsvorstehern mit prestigeträchtigen Gegenständen einzuschmeicheln“, sagt Etting zu „Videnskab.dk“.

Nördlich der Insel Stora Ekön in den Schären vor Blekinge wurde das Wrack der Gribshunden 1970 erstmals und 2000 dann erneut entdeckt.

 

Forscher in Schweden: Wir diskutieren gerne

Die Breitseite aus Kopenhagen wird auf der anderen Seite des Öresunds derweil keineswegs als Kriegserklärung aufgefasst.

„Das Wunderbare an der Wissenschaft ist es doch, dass sie ein laufender Prozess ist. Wir diskutieren gerne über unsere Interpretation, die auf Analysen verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen beruht“, sagt Brendan Foley zu „Videnskab.dk“.

„Wir können selbstverständlich nicht mit Sicherheit sagen, ob der König vorhatte, den Stör selbst zu essen, oder ob er den Schweden überreicht werden sollte. Doch wir wissen, dass die Reise politische Verhandlungen zum Ziel hatte und es ist plausibel, dass alles an Bord diese unterstützen sollte“, so der Forscher.

 

 

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