Leitartikel

„Generation Corona: Jetzt ist nicht die Zeit für noch mehr Effizienz“

Generation Corona: Jetzt ist nicht die Zeit für noch mehr Effizienz

Generation Corona: Nicht die Zeit für noch mehr Effizienz

Apenrade/Aabenraa
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Es ist ausgezeichnet, dass Regierung und Verbände Hochschulabsolventen in der Krisenzeit in Arbeit helfen wollen. Doch dabei sollte bloß nicht nur auf kurzfristige ökonomische Faktoren geachtet werden – sondern auch an die Zukunft der jungen Menschen gedacht werden, mein Cornelius von Tiedemann.

Die Corona-Krise hat Dänemark natürlich schwer erwischt, aber das Land und seine Wirtschaft bisher nicht in eine derart tiefe Krise geschickt, dass es aus ihr kein Entkommen zu geben scheint. Allen Prognosen zufolge wird Dänemark im internationalen Vergleich glimpflich davonkommen.

Dennoch gibt es sie schon, die Generation Corona. Jugendliche und junge Erwachsene, deren Start in die Arbeitswelt so ganz anders ausfällt, als dies bei anderen Jahrgängen der Fall war. Die Arbeitslosigkeit ist ungewohnt hoch, auch und gerade unter Berufseinsteigern.

Wo dies früher vielleicht zu dem Rat geführt hat, sich erst einmal zu orientieren oder „zu sich selbst zu finden“, eine Weltreise zu machen oder sich im fernen Ausland mit einem Job oder einer wohltätigen Beschäftigung neue Perspektiven zu holen, ist dies wegen der Pandemie für die jungen Menschen heute kaum möglich. Die Welt aus dem Homeoffice entdecken – na ja.

Es kann ziemlich enttäuschend sein, nach absolvierter Ausbildung oder fertigem Studium plötzlich mit leeren Händen dazustehen und gar keinen Anknüpfungspunkt zu haben.
 
Damit keine Panik aufkommt – und um hohe Kosten für Sozialhilfe zu vermeiden –, wollen Verbände und Regierung für diejenigen, die in diesen Zeiten ihr Studium beendet haben oder beenden, einen gemeinsamen Plan vorlegen, um Langzeitarbeitslosigkeit vorzubeugen.   

Denn gerade hier ist Vorsorge angesagt. Die Zahl der jungen Menschen mit Hochschulausbildung ist in den vergangenen Jahren rasant angestiegen – und gleichzeitig auch die Zahl derer, die nach erfolgtem Abschluss Sozialhilfe beziehen.

Ziel von Regierung und den diversen Vertretern in der „Partnerschaft für Absolventen in Arbeit“ ist es, die Absolventen möglichst schnell in Arbeit zu bringen. Dann sei, so argumentieren Regierung und zum Beispiel die Akademikergewerkschaft Dansk Magisterforening, der erste Schritt getan, und wer erst einmal einen Fuß auf dem Arbeitsmarkt habe, der falle, statistisch gesehen, so schnell auch nicht wieder heraus.

Welche Maßnahmen genau getroffen werden sollen, wollen die „Partner“ im Laufe von Herbst und Winter erörtern.

Schon jetzt wird dabei der Wunsch laut, das Studium noch mehr an den Bedürfnissen der Wirtschaft auszurichten. Zum Beispiel, indem Abschlüsse dann gemacht werden können, wenn Bedarf an neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern besteht.

Viele solcher Ideen sind sicherlich sinnvoll und helfen. Doch die „Partner“ sollten im Blick behalten, dass Dänemark auch deshalb ein so innovatives und fortschrittliches Land ist, weil es hier im Bildungsbereich viele Freiheiten gab – und zum Teil noch gibt. Dänemark war immer auch ein Land der Querdenker. Das wird in einigen Ausbildungen ganz bewusst gefördert.

Gerade die Vielfalt der Ausbildung darf deshalb nicht dem Wunsch nach einem nahtlosen Übergang vom Studierenden zum Steuerzahler zum Opfer fallen. Eine offene Demokratie braucht auch Unangepasstheit und Raum für Gedanken und Besinnung – und Studienfächer und ganze Ausbildungen – die auf den ersten Blick keinen (rein) ökonomischen Nutzen haben.

Ausbildungen, zumal an Hochschulen, sind eben nicht nur eine wirtschaftliche Größe. Sie haben auch eine gesamtgesellschaftliche, kulturelle Funktion.

Allzu leicht verfallen wir, gerade in Krisenzeiten, darauf, nach Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit zu rufen.

Doch ist es jetzt die Zeit, die Daumenschrauben noch weiter anzuziehen, unser kulturelles Potenzial noch mehr zu beschränken?

Gut ist, dass zu den „Partnern“ in der Arbeitsgruppe auch die Studierenden selbst gehören. Vielleicht wird ihnen ja Gehör geschenkt, wenn sie darauf pochen, den Weg in die eigene Zukunft mitgestalten zu können. Damit sie ein nicht nur ökonomisch frühzeitig abgesichertes, sondern auch ein erfüllendes Leben führen können.  

 

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