The Implant Files

Dunkle Schatten auf den Lebensschützern

Dunkle Schatten auf den Lebensschützern

Dunkle Schatten auf den Lebensschützern

Ritzau/hm
Kopenhagen/Brüssel
Zuletzt aktualisiert um:
Computer-Tomographie einer künstlichen Herzklappe mit Drähten eines Herzschrittmachers Foto: Science Photo Library/Ritzau Scanpix

Die Implant files eines journalistischen Netzwerkes decken Lücken bei der Sicherheit von Implantaten auf. Lücken, die dem dänischen Parlament laut Danmarks Radio schon 17 Jahre bekannt sind. Die dänische Arzeimittelbehörde spricht aber von „relativ wenigen Personen, bei denen Implantate einen Schaden anrichteten.

The Implant Files

An der Recherche namens „The Implant Files" waren mehr als 250 Journalisten von knapp 60 verschiedenen Medien aus 36 Ländern beteiligt –unter ihnen die BBC, Le Monde, AP sowie Medien aus Japan, Südkorea, Pakistan, Indien, Argentinien, Brasilien, Mexiko und vielen europäischen Ländern. Koordiniert wurde die Recherche vom Internationalen Konsortium Investigativer Journalisten (ICIJ).

Internet: https://bit.ly/2S6TAP8

Interessanter Beitrag in der Süddeutschen Zeitung darüber, wie einfach es war, die Zulassung für ein Mandarinennetz als Implantat in Aussicht gestellt zu bekommen: https://bit.ly/2BAbYdL

 

Nach Recherchen eines internationalen Journalisten-Netzwerkes kommt eine Vielzahl medizinischer Implantate auf den Markt, ohne dass diese ausreichend geprüft sind, das heißt ohne klinische Erprobung, sprich Tests an Menschen. Das hat Folgen. In den vergangenen zehn Jahren führten fehlerhafte, unzureichend erprobte oder unnötige Produkte zu 83.000 Todesfällen, so das Ergebnis der weltweiten Recherche. Zudem erlitten Hunderttausende Menschen schwerwiegende Probleme durch schlechte Implantate, schreibt der Norddeutsche Rundfunk, der in Deutschland zusammen mit dem WDR und der Süddeutschen Zeitung im Rechercheteam beteiligt war. Auf dänischer Seite trugen Journalisten von Danmarks Radio und der Zeitung Politiken Daten zusammen. Zu den bekanntesten Implantaten zählen unter anderem Herzschrittmacher, künstliche Hüftgelenke und Brustimplantate.

Wenig am Menschen getestet

Diesen Medien zufolge sind 90 Prozent der medizinischen Produkte (medicinsk udstyr) der Klasse III auf dem europäischen Markt, ohne dass diese am Menschen getestet wurden. Die medizinischen Produkte oder Implantate werden in vier Risikoklassen eingeteilt, je nachdem wo und wie das Implantat genutzt wird. Ein Herzschrittmacher gehört in die höchste Klasse III (Klasse I, IIa, IIb, III).

Wenn es um Medikamente gehe, sei man sehr sicher, so Gunnar Lose, Oberarzt am Herlev Hospital, Abteilung Gynäkologie, zu Politiken. Diese werden in vier Phasen geprüft – einschließlich eines Testes am Menschen. „Implantate kommen auf dem Markt mit einem CE-Siegel, und oft gibt es keinen Beweis, ob sie so helfen, wie sie sollen“, so Lose.

Die dänische Arzneimittelbehörde spricht von relativ wenigen Personen, denen Implantate geschadet haben. „Es ist sehr wichtig, sich daran zu erinnern, dass medizinische Produkte Leben retten und wirklich vielen Menschen helfen“, so Thomas Wejs von der Arzneimittelbehörde (Lægemiddelstyrelsen). Thomas Wejs verweist auf die schärferen EU-weiten Regeln, die 2020 in Kraft treten, die dazu dienen, den Markt besser zu überwachen und so die Patientensicherheit erhöhen sollen. Zudem, so Wejs, würden in Dänemark die Kontrollen bereits ab dem kommenden Jahr verbessert, wenn die Behörde mehr Ressourcen erhalte.Medizinische Produkte werden oft eingesetzt. Allein in Dänemark wurden zwischen dem 1. Juli und 15. November dieses Jahres 16.000 Patienten Implantate eingesetzt, schreibt Politiken und beruft sich auf Daten der Gesundheitsbehörde.

Die Berichte zeigen, dass die Konsequenzen ernst sein können, wenn Implantate nicht so funktionieren, wie sie sollten.

Kurt Espersen, Direktor der Region Süddänemark

Auch der Region Süddänemark, zuständig für regionale Gesundheitsversorgung, ist das Problem bekannt. „Die Berichte zeigen, dass die Konsequenzen ernst sein können, wenn Implantate nicht so funktionieren, wie sie sollten“, so Kurt Espersen, Direktor der Region Süddänemark. Er betont, eine klinische Erprobung sei sehr wichtig; zudem sollten neu auf dem Markt kommende Implantate mit großer Vorsicht in Gebrauch genommen werden. Die Region verfolge die Nachrichten der Gesundheitsbehörde zu Implantaten. Kämen neue Implantate auf den Markt, würden die einzelnen klinischen Abteilungen sie genau anschauen, wenn diese Verwendung finden sollen.

Die Verbraucherschutzorganisation Tænk möchte, dass die Produkte, die implantiert werden, bei einer begrenzten Zahl an Menschen vorher getestet werden und danach von der Arzneimittelbehörde eine Freigabe erhalten. Zudem sei, so Tænk, eine unabhängige Organisation vonnöten, die das Wissen über Implantate sammelt und bündelt.

Einheitsliste: Neue EU-Regeln gehen nicht weit genug

Der Einheitsliste gehen die EU-Regeln nicht weit genug. Sie will Gesundheitsministerin Ellen Trane Nørby anhören. Laut Danmarks Radio wurde bereits 2001 das dänische Parlament über die Lage informiert. Damals schlug ein Skandal um einen mangelhaften Zement hohe Wellen, der bei Hüftoperationen verwendet wurde. Der Technologierat empfahl zu dieser Zeit in einem Bericht, medizinische Produkte unbedingt vorher an Menschen zu testen. Søren Gram, 2001 Chef einer Arbeitsgruppe im Technologierat, die den Bericht fertigte, sagte damals mehr im Spaß: „Es ist schwerer, einen Staubsauger in der EU zertifizieren zu lassen als eine Herzklappe.“ 

Quellen: NDR, Ritzau, Danmarks Radio, Süddeutsche Zeitung, Deutsche Welle)

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