Leitartikel

„Die Macht der Propaganda“

Die Macht der Propaganda

Die Macht der Propaganda

Kopenhagen
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Der Krieg in der Ukraine ist auch ein Propaganda-Krieg. Und in diesem Krieg hat Wladimir Putin den liberalen Freiheitswerten insgesamt den Kampf angesagt. Wir sollten daher auch nicht mit seinen westlichen Mitläufern naiv umgehen, meint Walter Turnowsky.

Die russischen Staatskanäle „RT“ und „Sputnik“ sind Informationswaffen. Das ist weder eine Erfindung des Autors dieses Leitartikels noch „Propaganda“ aus der Feder westlicher Geheimdienste. Es ist die Selbstdarstellung der Chefredakteurin Margarita Simonyan.

Und auch wenn wir ansonsten Aussagen aus der Ecke gerade deshalb mit Vorsicht genießen sollten, dürfen wir ihr wohl in diesem Fall Glauben schenken. Mit anderen Worten verbreitete sie nicht Information, sondern Desinformation und Propaganda.

Da werden Opfer zu Tätern erklärt, ein jüdischer Präsident zum Nazi und Wladimir Putin zum Friedensfürsten. Gegen den Westen soll ein „Informationskrieg“ geführt werden. Letztere Aussage Simonyans ist nicht neu, sondern stammt aus dem Jahr 2012.

Da stellt sich auch hier die Frage, wie wir im Westen so naiv mit einem Regime umgehen konnten, das uns und den liberalen Werten den Krieg erklärt hat.

Dabei sollten wir gerade im deutschsprachigen Raum wissen, welch grausames Unheil Propaganda anrichten kann. Wie sie Feindbilder heraufbeschwört, Massenmord und Angriffskrieg auslösen kann.

Auch in der deutschen Minderheit haben viele Menschen der Nazi-Propaganda geglaubt, junge Männer sind in den unheilvollen Krieg gezogen. Ähnlich wie derzeit junge russische Frauen und Männer gegen die Ukraine in den Krieg ziehen, überzeugt, sie müssten das Land von Nazis befreien.

„Das Wesen der Propaganda ist deshalb unentwegt die Einfachheit und die Wiederholung. Nur wer die Probleme auf die einfachste Formel bringen kann und den Mut hat, sie auch gegen die Einsprüche der Intellektuellen ewig in dieser vereinfachten Form zu wiederholen, der wird auf die Dauer zu grundlegenden Erfolgen in der Beeinflussung der öffentlichen Meinung kommen.“ Die Worte hat Joseph Goebbels am 29. Januar 1942 in sein Tagebuch geschrieben.

Wäre er nicht tot, hätte er sie auch Putin ins Poesiealbum schreiben können. Doch offensichtlich kennt der russische Despot ohnehin schon die Ratschläge.

Immer wieder werden die Aussagen von den ukrainischen Nazis und der Aggression der Nato wiederholt. In Russland glaubt ein Großteil der Bevölkerung der Propaganda, vor allem auch, weil Putin sämtliche Medien, die diesen Namen verdienen, ausgeschaltet hat.

Doch auch im Westen haben sich die Lügen Putins verbreitet. Ganze Fabriken mit sogenannten Internet-Trolls in Sankt Petersburg sorgen für die Verbreitung über Facebook, Twitter und anderen sozialen Medien.

Vor allem die Version von der angeblichen Nato-Aggression glauben nicht nur Verschwörungstheoretiker und Extremisten an den politischen Rändern. Auch im politischen Mainstream gibt es solche Stimmen. Sie sind jedoch in den vergangenen Wochen deutlich leiser geworden.

Das Ziel der Propaganda von „RT“ und „Sputnik“ ist nämlich zweiseitig. Einerseits soll sie nach innen gerichtet, die Macht Putins befestigen. Andererseits soll sie im Westen Spaltung und Destabilisierung auslösen. Dies geschieht unter anderem, indem emotional bereits geladene Debatten weiter angeheizt werden. Doch auch indem extreme Politikerinnen und Politiker unterstützt werden.

Es ist selbstverständlich nicht vornehmlich der russischen Propaganda und Diffamierungskampagnen zu verdanken, dass Donald Trump Präsident der USA wurde. Beigetragen dazu haben sie jedoch.

Mit einem Sieg von Marine Le Pen bei der Präsidentschaftswahl in Frankreich am Sonntag wäre ein Wunschtraum Putins in Erfüllung gegangen: Die EU wäre zu diesem kritischen Zeitpunkt massiv destabilisiert worden.

Ob das Verbot der EU von „RT“ und „Sputnik“ für die Dauer des Ukraine-Krieges zielführend ist, ist mehr als fraglich. Langfristig wird es ohnehin nichts lösen.

Unsere beste Verteidigung gegen die „Informationswaffe“ Putins ist ein Angriff, ein Angriff in der Form der Stärkung von Meinungsfreiheit und -vielfalt. Doch sollten wir gleichzeitig die Naivität beiseitelegen und gewisse „Meinungen“ der willigen Helfer Putins als das bezeichnen, was sie sind, nämlich gefährliche Propaganda.

Es ist sinnvoller, dieser auf offenem Feld zu begegnen, als dass sie sich in dubiosen Internetforen unwidersprochen ausbreiten kann.

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Cornelius von Tiedemann
Cornelius von Tiedemann Stellv. Chefredakteur
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