Grüner Umstieg

Apenrade ist Dänemarks führende Energiewende-Kommune

Apenrade ist Dänemarks führende Energiewende-Kommune

Apenrade ist Dänemarks führende Energiewende-Kommune

Apenrade/Aabenraa
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Jan Riber Jakobsen ist der Bürgermeister der Kommune Apenrade. Foto: Marle Liebelt

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Solar- und Windenergie: Nirgendwo sonst wurde zuletzt so geklotzt wie mitten in Nordschleswig. Doch die Energiewirtschaft warnt: Um die Klimaziele zu erreichen, reichen einige wenige Vorbild-Kommunen nicht aus. Ein Vorschlag: Bürgerinnen und Bürger sollen besser beteiligt werden – auch finanziell. Manchen geht es allerdings gar nicht ums Geld.

Die Kommune Apenrade ist mit großem Vorsprung dänische Meisterin im Errichten von Wind- und Solarenergieanlagen an Land im Jahr 2022. Das hat der Branchenverband Green Power Denmark errechnet. Um allerdings das Regierungsziel von viermal mehr nachhaltig erzeugter Energie bis 2030 einzuhalten, reichen vereinzelte Großprojekte wie das in Behrendorf (Bjernsrup) nicht aus, kritisiert der Verband.

„Wir müssen Anreize schaffen, damit Kommunen und Lokalbereiche, die die Unannehmlichkeiten auf sich nehmen sollen, auch Teil der Wertschöpfung werden“, sagt der Geschäftsführer des Energiekonzerns Norlys, Niels Duedahl, laut „Ritzau“.

Jütland trägt Großteil der Energiewende

60 Prozent der neuen Wind- und Solarenergie-Anlangen an Land wurden 2022 in nur fünf Kommunen errichtet, vier davon in Jütland.  Neben Apenrade waren dies Ringkøbing-Skjern, Viborg, Skive und Faxe.

Die Spitzenplätze werden jedes Jahr neu verteilt – doch mit wenigen Ausnahmen seien es stets dieselben Kommunen, die die Entwicklung in Dänemark vorantreiben, sagt Jacob Klivager Vestergaard, Abteilungsleiter bei Green Power Denmark, dem Dachverband der Energiewirtschaft. Nur in sieben Kommunen seien 2022 überhaupt Windenergieparks an Land aufgestellt worden.

„Das ist äußerst ärgerlich, denn Windkraftanlagen an Land sich eine günstige Technologie, die unsere Produktion nachhaltiger Energie schnell steigern kann“, sagt Vestergaard in einer Pressemitteilung.

Norlys-Geschäftsführer Nils Duedahl sprach am Donnerstag in Aalborg auf dem Gipfel des Kommunen-Dachverbandes KL. Foto: Bo Amstrup/Ritzau Scanpix

Norlys-Chef: Kommunen, die nicht mitziehen, sollen zahlen

Welche Verantwortung tragen also die Kommunen bei der Energiewende, wenn der Ausbau so unterschiedlich schnell vorangeht? Auf dem Gipfeltreffen des Verbandes der 98 dänischen Kommunen (KL) in Aalborg wurde am Donnerstag unter anderem darüber gesprochen.

Der bereits zitierte Norlys-Chef Niels Duedahl argumentierte erneut dafür, dass die Kommunen, die keine oder wenige Anlagen genehmigen, Ausgleichszahlungen an die Kommunen zahlen könnten, die viele Anlagen errichten.

Geografisch gesehen würde nach heutigem Stand somit besonders viel Geld aus der Hauptstadtregion nach Jütland fließen.

Wenn alle mitmachten...

Dabei ist die Rechnung recht simpel: Wenn jede der 98 Kommunen in Dänemark ab jetzt jedes Jahr nur ein einziges modernes Windrad zur Stromerzeugung aufstellt, würde laut Green Power Denmark das Ziel erreicht werden, die aus Landwindkraftanlagen generierte Energie bis 2030 zu verdoppeln.

Im Wege stehen oftmals nicht fehlender Wille, zu investieren – sondern Bürgerinnen und Bürger, die die Anlagen nicht in ihrer Nähe sehen möchten.

Viele Bürgerinnen und Bürger meinen, dass der Wert von Natur und Landschaft nicht mit Geld entschädigt werden kann.

Yingkui Yang, SDU

Der Großteil der Menschen in Dänemark erkenne den Wert nachhaltiger Energie an und mehr als der Hälfte sei es egal, wo die Anlagen aufgestellt werden, schreibt etwa die Süddänische Universität (SDU) in einem Bericht zum Thema. Letzteres allerdings nur, solange es nicht in der eigenen Nachbarschaft geschieht.

Für den Verbrauchendenforscher Yingkui Yang von der SDU ist es deshalb unabdingbar, dass der Widerstand gegen Neubauten ernst genommen wird.

„Viele Bürgerinnen und Bürger meinen, dass der Wert von Natur und Landschaft nicht mit Geld entschädigt werden kann, und in vielen Fällen empfinden die Anwohnerinnen und Anwohner die Verteilung der Entschädigungen als ungerecht“, sagt er. „Auch die Wirkung von Anhörungen ist nicht ausreichend, da Anhörungen oft keinen Dialog hervorbringen und sich die Bürgerinnen und Bürger oft ausgeschlossen fühlen.“

Genehmigungsprozesse dauern der Branche zu lange

Ob Wind- oder Solarkraft: Der Widerstand ist umso größer, je näher an besiedeltem Gebiet gebaut wird und je wohlhabender die betroffenen Gemeinden sind. Doch der Folketingsbeschluss, die Zahl der Solarzellen in Dänemark zu verzehnfachen, steht.

Obwohl wir wissen, dass grüne Projekte auf den Widerstand der Anwohnenden stoßen, kümmern wir uns nicht wirklich darum.

Yingkui Yang, SDU

Doch bis Anlagen ans Netz gehen, ziehen oft viele Jahre ins Land. „Eines unserer jüngsten Projekte, die wir in Jütland in Betrieb genommen haben, brauchte neun Jahre von der Idee bis zum Betrieb. Wir müssen das einfach beschleunigen“, meint Norlys-Chef Duedahl.

Bereits heute wird Dänemarks Stromverbauch an einzelnen Tagen zu 100 Prozent durch erneuerbare Energie gedeckt. Nach Jahren der Stagnation wird jedoch unter anderem durch den Verbrauch von Elektroautos mit einem massiven Anstieg des Energiebedarfs gerechnet. Deshalb fordert Jacob Klivager Vestergaard alle Kommunen im Lande dazu auf, ihren Beitrag zu leisten, wenn die „grüne Umstellung in den kommenden Jahren so richtig Fahrt aufnimmt“.

Nur 129 Megawatt kamen im vergangenen Jahr zu den zuvor bestehenden 4.640 Megawatt Kapazität an Windkraftanlagen an Land in Dänemark hinzu. In dem Tempo würde es fast 40 Jahre dauern, bis sich die Kapazität verdoppelt hat (Symbolfoto). Foto: Mads Claus Rasmussen/Ritzau Scanpix

SDU-Forscher: Es fehlt an Wissen, wie Menschen bei Großprojekten erfolgreich eingebunden werden

Gelingen könne dies nur, wenn bisher unbekannte Wege erforscht werden, aus der Einstellung „Nicht in meiner Nachbarschaft“ ein „Gerne in meiner Nachbarschaft“ zu machen, meint derweil SDU-Forscher Yingkui Yang.

„Die Bedenken der Bürgerinnen und Bürger beziehen sich hauptsächlich auf Lärm und Schattenwurf von Windkraftanlagen, visuelle Belästigungen wie zerstörte Landschaften und sinkende Hauspreise“, erklärt er und betont, dass dies keine bahnbrechenden Erkenntnisse sind: „Das ist nicht neu. Aber obwohl wir wissen, dass grüne Projekte auf den Widerstand der Anwohnenden stoßen, kümmern wir uns nicht wirklich darum. Wir nehmen es nicht ernst genug, und genau da liegt das eigentliche Problem.“

Zwar gebe es manche gute Beispiele, doch diese seien die Ausnahme. Es fehle an „brauchbaren Modellen, die auf breiter Basis eingeführt werden können. Denn wenn wir die Verbaucherinnen und Verbraucher nicht mit an Bord haben, haben wir schon verloren.“

Behrendorf
Nordeuropas größter Solarpark liegt in Behrendorf (Bjerndrup) in der Kommune Apenrade. Foto: Mads Claus Rasmussen/Ritzau Scanpix

Bürgermeister in Nordschleswig wollen Bürgerinnen und Bürger mehr einbeziehen

Wie es in Zukunft funktionieren könnte, dazu haben sich die Bürgermeister von Tondern (Tønder), Jørgen Popp Petersen (Schleswigsche Partei) und Apenrade (Aabenraa) Jan Riber (Kons.), kürzlich im „Nordschleswiger“ geäußert.

Popp bevorzugt das Modell der Bürger-Windparks, die auch für Solarparks funktionieren: „Man könnte zum Beispiel beschließen, dass Projekte, die die Bürgerinnen und Bürger beteiligen, Vorrang haben.“

Jan Riber meint: „Ich würde es gut finden, wenn die betreiben Unternehmen nicht einmalig in den Topf für lokale Projekte einzahlen, sondern fortlaufend. Vielleicht ein kleinerer Betrag, dafür aber über mehrere Jahrzehnte und nicht nur, wenn die Anlage ans Netz geht.“ Denn so würden die Dörfer über einen längeren Zeitraum von den Anlagen profitieren, die schließlich auch mehrere Jahrzehnte lang Strom produzieren.

 

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Marle Liebelt Hauptredaktion
„Positiv denken: In Nordschleswig liegt der Schlüssel zur Zukunft“