Deutsche Minderheit

Hermine hat Geburtstag: „Ich fühle mich gar nicht wie eine 100-Jährige“

Hermine hat Geburtstag: „Ich fühle mich gar nicht wie eine 100-Jährige“

„Ich fühle mich gar nicht wie eine 100-Jährige“

Bülderup-Bau/Bylderup-Bov
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Hermine Andersen steht ein besonderer Geburtstag ins Haus. Foto: Karin Riggelsen

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Sie ist geistig voll auf der Höhe, ist mobil und freut sich über jeden Besuch. Am Sonntag, 3. Dezember, vollendet Hermine Andersen aus Bülderup-Bau ihr 100. Lebensjahr. Solch ein dreistelliges Alter zu erreichen, ist für viele ein außergewöhnliches Ereignis. Für Hermine nicht. Sie sieht es gelassen.

„Nun mach mal nicht so viel daraus.“ Die Aufforderung von Hermine Andersen aus Bülderup-Bau gilt dem Mitarbeiter des „Nordschleswigers“, als er der rüstigen Frau in ihrem Zuhause am Mølleengen einen Besuch abstattet. Es passiert ja nicht oft, dass jemand aus der deutschen Volksgruppe 100 wird.

Zu viel Aufhebens und ein langer Bericht müssen es nicht sein, so die geistig frische Seniorin mit einem schelmischen Blick und einem charmanten Lächeln. Am 3. Dezember vollendet sie ihr 100. Lebensjahr.

„Ich fühle mich gar nicht wie eine 100-Jährige“, sagt Hermine in ihrer Stube.

Wer die umtriebige Dame erlebt, kauft ihr das sofort ab.  Die bald 100-Jährige ist geistig fit, regelt ihren Alltag ohne Heimhilfe nahezu komplett allein und fährt auch noch Auto, wenn die Strecken kurz sind.

Hermine liest viel, interessiert sich für Geschichte und ist stets darüber im Bilde, was sich regional und international so tut.

Hervorragendes Gedächtnis

Vom geistigen Zustand der rüstigen Dame schwärmt auch Paula Bonnichsen, die als Besuchsfreundin fast jeden Tag bei Hermine Andersen ist.

„Sie hat ein erstaunlich gutes Gedächtnis und ist viel in Gang. Sie ist nicht zu bremsen und übertreibt es auch mal“, sagt Paula Bonnichsen mit einem vorwurfsvollen Unterton in Richtung Hermine, als sie sich schon wieder vom Stuhl erhebt, um Kaffee zu holen und das Gebäck, das sie – wie sollte es anders sein – selbst gebacken hat.

Hermine Andersen und Besuchsfreundin Paula Bonnichsen Foto: Karin Riggelsen

Tochter Ulla und der Schwiegersohn kommen jeden Monat aus Silkeborg, um nach dem Rechten zu sehen und einige Aufgaben im Haushalt zu erledigen, die für eine ältere Dame dann doch etwas zu schwierig oder gefährlich sind.

„Sie entfernen Staub und Spinnengewebe an der Decke. Ich soll ja nirgendwo hinaufsteigen, ein bisschen mache ich es manchmal aber doch“, verrät Hermine in ihrer schelmischen Art.

Ganz in fremde Hände gibt sie auch ihren kleinen Garten nicht. Die groben Arbeiten lässt sie erledigen. Wenn es aber um das Pflanzen und Pflegen von Blumen geht, dann legt Hermine selbst Hand an. Dann darf nicht einmal die Besuchsfreundin helfen.

„Oh nein, da darf ich mich nicht einmischen“, sagt Paula Bonnichsen mit einem Lachen.

So ist sie nun mal, die Hermine: Sie kann und will vieles allein.

Nostalgie statt digitale Welt

Die neue digitale Welt mit Computer und elektronischem Postkasten, das sei allerdings nicht ihres, sagt Hermine.

Sie hat auch kein Smartphone. „Den ganzen Tag mit dem Finger auf so einen kleinen Bildschirm tippen, davon halte ich nichts“, sagt die Nostalgikerin.

Hermine Andersen empfängt in ihrer Reihenhauswohnung sehr gern Besuch. Foto: Karin Riggelsen

Hermine Andersen ist eine Frohnatur und hat ein herzhaftes Lachen, das ansteckt. Sie versprüht auch mit 99 Lenzen große Lebensfreude. Ein Geheimrezept für solch ein hohes Alter hat sie nicht.

Jeden Tag Bewegung

„Ich esse Butter, Fleisch, braune Soße und liebe auch Schlagsahne“, so die Jubilarin. Sie achte zwar auf eine ausgewogene Menge, einen besonderen Ernährungsplan habe sie allerdings nicht.

„Ich mache zweimal am Tag etwas Gymnastik, damit ich nicht einroste“, so Hermine, die früher auch sehr gern tanzte und laut Paula Bonnichsen „eine Stimmungskanone war“.

Es liege wohl letztlich in den Genen, so alt zu werden, vermutet Hermine.

Sie ist als geborene Schlüter in Twedt (Tved) bei Tondern (Tønder) mit acht Geschwistern aufgewachsen, die mittlerweile alle verstorben sind.

„Meine Schwester wurde 103“, erwähnt Hermine. Zwei andere Geschwister wurden über 90 Jahre alt. Auch die Mutter erreichte solch ein hohes Alter.

Ich mache zweimal am Tag etwas Gymnastik, damit ich nicht einroste.

Hermine Andersen

Hermines Tochter Ulla wurde während des Weltkrieges geboren. Der Vater fiel im Krieg, erzählt Hermine.

Sie heiratete später Peter Andersen aus Abel (Abild). 25 Jahre betrieben sie einen Hof in Wollerup (Vollerup), ehe sie Anfang der 80er-Jahre nach Bülderup-Bau in die Slogsgade zogen.

„Peter starb vor 20 Jahren“, erwähnt Hermine, die verwitwet vor rund 16 Jahren in die Wohnsiedlung am Mølleengen zog und dort seither ihren Lebensabend genießt.

Verschwenderische Zeit

Was rät eine 100-Jährige eigentlich den jungen Leuten von heute?

Hermine Andersen hält sich in ihrer bescheidenen Art mit schlauen Weisheiten zurück. Sie wünsche sich aber mehr Demut und Bescheidenheit.

„Wir leben in einer verschwenderischen Zeit mit großem Überfluss. Das tut der Menschheit nicht gut“, so Hermine.

Als junge Magd hatte sie 25 Kronen im Monat verdient – Schuhe kosteten damals 20 Kronen. „Wir mussten mit wenig zurechtkommen und haben Dinge zu schätzen gelernt. Das ist heute leider anders.“

In ihrer Reihenhauswohnung ist Besuch immer willkommen, denn für einen Schnack ist die lebensfrohe Seniorin stets zu haben. „Ich freue mich immer, wenn jemand kommt“, sagt die quietschfidele Dame.

Hin und wieder nimmt Hermine auch an Veranstaltungen des Sozialdienstes Buhrkall (Burkal) teil. Fester Termin ist unter anderem das Julefrokost im Saxburger Krug.

Der Krug ist am 3. Dezember nun Dreh- und Angelpunkt von Hermines Geburtstag. Rund 100 Gäste erwartet sie. „Hoffentlich fällt nicht so viel Schnee, damit auch alle kommen können.“

Hermine Andersen vergangenes Jahr beim Julefrokost des Sozialdienstes Buhrkall im Saxburger Krug. Im Krug ist sie auch am 3. Dezember, um dann ihren 100. Geburtstag zu feiern (Archivfoto). Foto: kjt
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Cornelius von Tiedemann
Cornelius von Tiedemann Stellv. Chefredakteur
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