Deutsche Minderheit

Stau am Zeppelinvej

Stau am Zeppelinvej

Stau am Zeppelinvej

Tingleff/Tinglev
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Die Wartezeit im Auto wird den Familien versüßt. Auf dem Foto versorgt Schulleiter Jørn Warm persönlich die gesamte Familie mit Bonbons. Foto: Karin Riggelsen

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Die Drive-In-Abschlussfeier der Deutschen Nachschule Tingleff war im vergangenen Jahr aus der Not geboren. Trotz der Corona-Lockerungen hielt die Einrichtung an dem Konzept fest – mit leichten Veränderungen.

Wenn die Verkehrssender der Welt den Ort Tingleff auf ihrem Radarschirm gerichtet hätten, dann hätten sie am Sonnabend ständig „Stau am Zeppelinvej“ oder von äußerst „zähflüssigem Verkehr“ berichten können. Die Erklärung: Die Abschiedsfeier der Deutschen Nachschule Tingleff fand auch in diesem Jahr wieder als Drive-in-Veranstaltung statt.

„Obwohl wir die Tutorgruppen über den ganzen Vor- und Nachmittag verteilt haben, so bleibt eine gewisse Staubildung nicht aus“, erläutert Schulleiter Jørn Warm die ungewöhnliche Verkehrsdichte rund um das Karree Nachschule und Sporthalle Tingleff.

Die Wartezeit in den Pkw wird den Insassen allerdings im wahrsten Wortsinn versüßt.

Die Kreativabteilung der Schule hat sich mächtig ins Zeug gelegt, um den grauen Parkplatz an der Sporthalle zu einem bunten Partygelände zu verwandeln. Foto: Karin Riggelsen
Der stellvertretende Schulleiter Rico M. Andersen sorgte ständig für Nachschub an der Würstchenfront. Foto: Karin Riggelsen
Bevor sich die Familien im Abschiedsstau einreihen konnten, mussten die Koffer und persönlichen Dinge der Kinder aus dem Zimmertrakt der Nachschule im und auf dem Auto verstaut werden. Mehrere Familien waren mit Autoanhänger angereist, andere waren sogar eigens aus dem Grund gleich mit zwei Autos gekommen. Foto: Karin Riggelsen
Glück hatte, wer bei den hochsommerlichen Temperaturen im Cabrio abgeholt wurde. Foto: Karin Riggelsen

Aus der Not geboren

„Die Drive-in-Idee ist ja eigentlich aus der Not entstanden – wegen der Corona-Pandemie und des damit einhergehenden Versammlungsverbots war im vergangenen Jahr keine Abschiedsfeier möglich. Ihre Zeugnisse sollten die Schülerinnen und Schüler aber dennoch bekommen und damals ist uns dann dieses Konzept eingefallen. – Es war eigentlich nur für 2020 gedacht, aber damals ist die Drive-in-Form bei allen Beteiligten so gut angekommen, dass wir auch in diesem Jahr daran festgehalten haben“, sagt Warm, hat dann aber dann auch schon keine Zeit mehr für die Fragen der Journalistin, weil der nächste Wagen vor ihm stehen bleibt …

Der Abschied fiel nicht leicht. Foto: Karin Riggelsen
Die Nachschule hatte für jeden Schüler und jede Schülerin ein Notizbüchlein angeschafft, in das Grüße, Wünsche und so manche wichtige Erinnerung eingetragen wurden. Foto: Karin Riggelsen
Einige Schüler kommen im August wieder nach Tingleff; für viele andere trennen sich aber die Wege. Foto: Karin Riggelsen

Der Grund für die Staubildung

Für die Fahrzeuge sind auf der Strecke mehrere Haltepunkte vorgesehen. Es gibt Kaltgetränke, Würstchen, der Schulleiter persönlich versorgt die Insassen mit Süßigkeiten und kommt auf die Weise auch persönlich mit den Eltern ins Gespräch. Am nächsten Stand gibt’s auf Wunsch Kaffee oder Tee. Es folgt ein Stehtisch mit vielen dicken Umschlägen. Für jeden Schüler und jede Schülerin hat der jeweilige Tutor ein dickes Paket mit Zeugnissen, einem Jahrbuch und anderen Dokumenten gepackt. Eine langstielige Rose liegt auch bereit.

An diesem Haltepunkt dauert es meist etwas länger und ist die Erklärung für die Staubildung. Am Ende der Drive-In-Straße erwarten die Teilnehmer noch selbstgebackene Kuchen und ein Becher Soft-Ice.

Parkplatz-Hygge I Foto: Karin Riggelsen
Parkplatz-Hygge II Foto: Karin Riggelsen

Diesmal ist auch Parkplatz-Hygge erlaubt

Wer durch ist, darf nach Hause und von Tingleff aus direkt weiter in den Urlaub fahren, muss es in diesem Jahr aber nicht. „Im vergangenen Jahr war es ja wegen des Versammlungsverbotes nicht möglich, aber in diesem Jahr haben wir auf dem Parkplatz einige Tische und Bänke aufgestellt. Wer möchte, darf gerne noch bleiben“, stellt Jørn Warm fest.

Viele Familien nutzen offensichtlich diese Möglichkeit. Schließlich haben sie wegen der Corona-Pandemie nicht viele Mitschüler ihrer Kinder und deren Eltern wirklich kennenlernen können, haben aber deren Namen von den Erzählungen ihrer Töchter und Söhne gehört. Der Parkplätz füllt sich zusehends. Viele Familien steigen aus. Es wird geplaudert und fröhlich gelacht. Es entsteht regelrechte Hygge-Stimmung.

Viele persönliche Worte wurden im Drive-in gewechselt Foto: Karin Riggelsen
Auch wenn das Schuljahr von der Corona-Pandemie geprägt war, ist an der Nachschule ganz viel Nähe entstanden. Foto: Karin Riggelsen
Auch an den Lehrkräften scheint die Abschiedsfeier nicht emotionslos vorüberzugehen oder hat sich Jasper Andresen etwa nur aus Versehen Sonnencreme in die Augen gerieben? Foto: Karin Riggelsen

Abschied ohne Schwere

„Die üblichen Abschiedsfeiern sind – mit Verlaub – ein wenig standardisiert. Der Schulleiter – also ich – hält eine feierliche Ansprache und die Zeugnisse werden verteilt. Allerdings haben diese Feiern auch eine eingebaute Schwere, die typisch mit einem Tränenmeer enden. – Natürlich fließen auch bei der Drive-In-Feier Tränen. Dennoch verläuft alles viel lockerer und entspannter“, findet der Nachschulleiter und ein Blick über den Platz gibt ihm recht.

„Hast du deine Taschentücher dabei?“, ruft eine Mutter ihrer Tochter just in diesem Moment zu. Die Angesprochene mit den rot verquollenen Augen hebt freudestrahlend die Rolle Toilettenpapier in die Höhe und antwortet: „Ja, hab‘ ich“. Abschiedsschmerz kann offensichtlich auch fröhlich sein…

Küchenleiterin Tine Oehlenschlæger (links) mit drei ihrer fleißigen Helferinnen (v. l.): Botilla Hansen, Birgit Rosenlund und Else Andersen. Foto: Karin Riggelsen

Viel Vorbereitung nötig

Diese Form der Abschlussfeier erfordert viel Vorbereitung und eine enorme Kondition der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

„Wir haben in den vergangenen Tagen rund 280 Zimtschnecken und genauso viele Himbeerschnitten gebacken. Da wir derzeit wegen einer Schwangerschaft unterbesetzt sind, habe ich eine Hilfe dazuholen müssen, um alles zu schaffen“, sagt Küchenleiterin Tine Oehlenschlæger. Die von ihre angesprochene „Hilfe“ war sicherlich mehr als das.  Ihr eigener Schwiegersohn ist ausgebildeter Bäcker und hatte maßgeblichen Anteil daran, dass die vielen Kuchen von der Nummer 1 bis zur Nummer 280 genau gleich aussahen.  

Hausmeister Bent Nielsen bediente in diesem Jahr noch die schuleigene Soft-Ice-Maschine. Rund 30 Liter Sahneeis konnte er wegen der hochsommerlichen Temperaturen an den Mann bzw. an die Frau bringen.

Kurz vor der „Ausfahrt“ gab's noch Kuchen und Eis. Thies Rheintal schien bei dieser Station in seinem Element zu sein. Foto: Karin Riggelsen

Änderungen für 2022

„Bent und sein Team haben selbst den Wunsch geäußert, im kommenden Jahr Würstchen grillen zu dürfen. Darüber hinaus haben wir uns schon ein paar andere Verbesserungen überlegt, die wir dann sicherlich im kommenden Jahr umsetzen werden“, kündigt Schulleiter Warm an. Dass die Abschlussfeier 2021/22 auch als Drive-in gefeiert wird, ist ihm nämlich völlig klar.

„Die Rückmeldungen der Eltern sind ausschließlich positiv“, sieht er sich bestärkt. Für das nächste Jahr wird er jedoch eine Sonnencreme mit hohem Lichtschutzfaktor auf die Liste schreiben. „Ich musste mir ein Käppi aufsetzen. Die Sonne hat mir auf den Kopf gebrannt“, stellt er schmunzelnd fest.

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