Europäische Union
Kritik an dänischen Grenzkontrollen im Europaparlament: Kommission unter Zugzwang
Kritik an dänischen Grenzkontrollen im EU-Parlament: Kommission unter Zugzwang
Petition gegen Grenzkontrollen setzt Kommission unter Druck
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Haben die Grenzkontrollen an der deutsch-dänischen Grenze bald ein Ende? Eine neue Petition setzt nicht nur Dänemark, sondern auch die EU-Kommission unter Druck und weckt Hoffnung bei Kritikerinnen und Kritikern des dänischen Vorgehens.
In der Debatte um die seit mehr als sieben Jahren anhaltenden Kontrollen an der deutsch-dänischen Grenze tut sich etwas. Und zwar nicht nur, weil der dänischen Regierung einmal mehr ein Verstoß gegen das Schengenabkommen und EU-Werte vorgeworfen wird.
Der Däne Tor Valstrøm hat eine Petition eingereicht, die über das Europäische Parlament Druck auf die Europäische Kommission ausüben soll, ihre Entscheidung, Dänemark wieder und wieder gewähren zu lassen, zu rechtfertigen.
Der Petent (Tor Valstrøm) bittet das Europäische Parlament, die von Dänemark in den vergangenen Jahren durchgeführten Grenzkontrollen als Verstoß gegen das Schengener Abkommen zu betrachten und dafür zu sorgen, dass diese ständigen Verstöße der dänischen Regierung gegen das EU-Recht unterbunden werden und ein Ende finden.
Auszug aus der Petition von Tor Valstrøm
„Wir sehen bereits Fortschritte“, heißt es in einem ersten Erklärungsversuch der Kommission, nachdem Valstrøm seine Petition am Dienstag einem Komitee des Europäischen Parlaments vorgestellt hatte. Diese Erklärung sorgte jedoch für Unverständnis bei den Parlamentarierinnen und Parlamentariern.
Ergo: Die Petition bleibt offen und die Kommission muss den Ausschussmitgliedern ihre Antwort auf die Petition schriftlich zukommen lassen, damit diese sie in ihren Fraktionen diskutieren können.
Was steht in der Petition?
Aber von vorn. Erst einmal besagt die Petition das, was aus der allgemeinen Kritik an den Grenzkontrollen bereits bekannt ist: Sie wirft der dänischen Regierung illegales Handeln vor und fordert das Europäische Parlament auf, die Verstöße gegen das EU-Recht zu unterbinden. Die Behauptung, dass die dänischen Grenzkontrollen gegen EU-Recht verstoßen, untermauert Valstrøm mit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 26. April 2022, in dem genau das festgestellt wurde.
Was hat das mit der Europäischen Kommission zu tun?
Die Kommission ist diejenige, die die antragstellenden Staaten die Ausnahmen für temporäre Grenzkontrollen erteilt.
Valstrøm argumentierte vor einem Komitee des Parlaments und Mitgliedern der Kommission, dass das Schengenabkommen eine solche Ausnahmegenehmigung ausschließlich als temporäre Maßnahme für sechs Monate vorsieht. Dänemark kontrolliert jedoch inzwischen seit mehr als sieben Jahren an der deutsch-dänischen Grenze. Hier noch von temporären Kontrollen zu sprechen, sei nicht richtig. Es handle sich laut Valstrøm längst um ständige Grenzkontrollen, die die Freizügigkeit im Grenzland massiv beeinträchtigten.
Das werfe die Frage auf, ob die immer wieder erteilten Genehmigungen überhaupt noch mit den grundlegenden Prinzipien des Schengenabkommens und der EU vereinbar und zu rechtfertigen sind.
Was sagt die Kommission dazu?
Im Großen und Ganzen gibt die Kommission Valstrøm Recht: Ziel sei, die Kontrollen abzuschaffen. Trotzdem scheint sie das Vorgehen Dänemarks zu tolerieren. Die Kommission hatte in der Anhörung des Komitees die Gelegenheit, Stellung zur Petition zu beziehen. In der Stellungnahme, vorgetragen durch Karina Ulrich, erklärt sie, dass es laufende Konsultationen zwischen Dänemark und der Kommission gebe, und die Kommission das Ziel verfolge, die Kontrollen abzuschaffen.
Warum wurde der dänischen Regierung dann im April trotzdem noch eine Verlängerung genehmigt? Ulrich führt dazu an, dass Dänemark bereits mildernde Maßnahmen ergriffen hat, um den Konflikten entgegenzuwirken. Gemeint sind die geänderten Grenzkontrollen, die seit Mitte Mai bestehen.
Zudem sagt Ulrich, der Kommission seien aus Deutschland keine Beschwerden über Dänemarks Vorgehen bekannt. Im Gegenteil: Die deutschen Behörden seien sehr zufrieden mit der deutsch-dänischen Zusammenarbeit.
Es überrascht mich, dass die Kommission die Abschwächung der Kontrollen anführt.
Margrete Auken, EU-Abgeordnete
„Wir sehen einen Fortschritt“, sagt Ulrich, stimmt aber auch dem Petenten zu, dass dieser Fortschritt nicht ausreichend ist. Deshalb bleibe man weiterhin im Dialog, und halte daran fest, weitere Fortschritte bei den Verhandlungen zum Grenzkodex des Schengenabkommens zu erzielen.
Reaktionen von Mitgliedern des Parlaments
Die im Komitee vertretenden Parlamentarierinnen und Parlamentarier hatten die Gelegenheit, auf die Petition und Stellungnahme zu reagieren. Und die Beiträge folgten alle demselben Tenor: Bei der dänischen Lösung handelt es sich längst nicht mehr um temporäre Kontrollen, und sie sind nicht vereinbar mit den Ideen des Schengenabkommens. Deshalb wurde auch Verwunderung über die Argumentation laut, Dänemark habe ja bereits mindernde Maßnahmen getroffen.
Unter den kritischen Stimmen ist die Dänin Margrete Auken. Die Politikerin sitzt für die Sozialistische Volkspartei (SF) in der Fraktion Grüne/EFA des EU-Parlaments und zeigt sich verärgert über die Argumentation der Kommission. „Es überrascht mich, dass die Kommission die Abschwächung der Kontrollen anführt.“ Bei den Kontrollen handle es sich um Verstöße gegen das Gesetz. An den Verstößen festzuhalten, wenn auch in geminderter Form, dürfe für die Kommission kein Grund sein, diese zu legitimieren.
Auch den Bulgaren Emil Radev, der der Fraktion der EPP (European People’s Party) angehört, verärgert die Situation. Sein Land will dem Schengenraum seit vielen Jahren beitreten und es arbeite hart daran, die Kriterien zu erfüllen. Dass einige Mitgliedstaaten des Schengenraums immer wieder gegen das Abkommen verstoßen dürfen, sei nicht akzeptabel.
Wie geht es jetzt weiter?
Die Fraktionen waren sich einig: Die Petition solle offen bleiben. Das bedeutet jetzt, dass die Kommission ihre Antworten verschriftlichen muss, sodass die Mitglieder des Komitees die Gelegenheit haben, den Fall in ihren Fraktionen zu besprechen.
Auf Nachfrage des „Nordschleswigers“ bei SF ordnet die Politikberaterin Rikke Lauritsen die Petition und ihre Bedeutung ein. „Es war die erste Anhörung der Petition und es ist zuallererst einmal erfreulich, dass sie offen bleibt.“ Es liege jetzt aber beim Parlament, daraus etwas zu machen, oder eben nicht. Da jetzt Sommerpause ist, rechnet sie damit, dass es bis zum Herbst dauern wird, bis es wirklich etwas Neues zu dem Fall gibt.
Aus ihrer Sicht berge die Petition aber definitiv das Potenzial, etwas zu bewegen, denn sie könne Druck auf die dänische Regierung, aber auch auf die Entscheidungen der Kommission ausüben. „Das steht und fällt mit der öffentlichen Aufmerksamkeit“, räumt sie ein.
Für Kritikerinnen und Kritiker der Grenzkontrollen stelle die Petition jedoch definitiv einen Hoffnungsschimmer dar.