2020-Feierlichkeiten

„Der Blick muss nach vorne gehen“

„Der Blick muss nach vorne gehen“

„Der Blick muss nach vorne gehen“

Kopenhagen
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Klaus Schlie (links) und Andreas Meitzner im Gespräch mit Carsten Ulrik Larsen nebst Dolmetscherin. Foto: Mareika Watolla/Landtag SH

Deutsch-dänische Gespräche in Kopenhagen: Große Pläne für ein „heißes Jahr 2020“ werden geschmiedet. Eine Idee aus der Minderheit fand großen Anklang bei Politikern aus Kopenhagen und Kiel.

Es war eine „ganz tolle, enge und freundschaftliche Zusammenarbeit“, als am Mittwoch Politiker und Entscheidungsträger aus Kiel, dem Grenzland und Kopenhagen zusammenkamen, um primär über die Pläne für das deutsch-dänische Kulturjahr 2020 zu sprechen. Das sagt Klaus Schlie (CDU), Präsident des Schleswig-Holsteinischen Landtages, im Gespräch mit dem Nordschleswiger.

In Kopenhagen war er am Mittwoch zunächst mit dem deutschen Botschafter Andreas Meitzner, dann mit Folketingspräsidentin Pia Kjærsgaard (DF) und anschließend mit Kulturministerin Mette Bock zusammengetroffen. Danach gab es ein Treffen des Nordschleswig-Gremiums des Landtages mit dem Folketings-Kontaktausschuss für die deutsche Minderheit. Bei allen Gesprächen kam ein Projekt aus der deutschen Minderheit in Nordschleswig besonders gut an.

 

Pia Kjærsgaard und Klaus Schlie im Gespräch. Foto: Mareika Watolla/Landtag SH

Das Gespräch mit der Folketingspräsidentin sei „wirklich sehr offen und freundlich“ verlaufen, so Schlie, das mit der Kulturministerin ebenfalls „großartig“. Schwerpunkt: Die Planungen für das Jahr 2020. Dann wird die  heutige Grenze zwischen Deutschland und Dänemark 100 Jahre Bestand haben. Das Jahr wurde unlängst von den Außenministern beider Länder zum „Deutsch-Dänischen Kulturellen Freundschaftsjahr“ ausgerufen.

Geschichte aus zwei Perspektiven erzählen

Ein „heißes Jahr“ wird das werden, ist sich der Hauptvorsitzende des Bundes Deutscher Nordschleswiger (BDN), Hinrich Jürgensen, sicher. Denn das Programm wird immer größer. Der Chef des Dachverbandes der deutschen Minderheit in Dänemark begleitete Schlie zu den Treffen mit Kjærsgaard und Bock und war, wie Schlie, besonders erfreut darüber, dass der vom BDN erarbeitete Vorschlag eines deutsch-dänischen Geschichtsbuches auf fruchtbaren Boden fiel.

„Es soll ein Geschichtsbuch sein, dass die Frage aufnimmt: Wieso schreibt Dänemark seine Geschichte so – und Deutschland seine Geschichte so?“, berichtet der BDN-Chef. Die Kulturministerin und die Botschaft hätten ihre Unterstützung zugesagt – und auch aus dem Landtag in Kiel gab es Zustimmung für ein solches Projekt.

Klaus Schlie, selbst langjähriger Geschichtslehrer, hält den Ansatz für einen „absolut richtigen“. „Erstens ist es natürlich logisch, dass es zwei Sichten zu solch einer historischen Entwicklung gibt“, die jetzt letztendlich „in einem Friedensprojekt münden“, so Schlie, der auch von einem „Völkerverständigungsprojekt“ spricht.

Das Geschichtsbuch-Projekt sei auch deshalb so wichtig, „weil dadurch junge Menschen, Schülerinnen und Schüler lernen und ihnen klar gemacht wird, dass sie auch Kritisch mit Geschichtsbetrachtungen umgehen sollen. Es gibt nicht immer nur eine Betrachtungssicht für historische Entwicklungen, es gibt mehrere“, so Schlie. Der Faktor „Selbstbestimmungsrecht der Völker“ durch die Volksabstimmung 1920 sei „ein ganz wichtiger Faktor“ bei dem Projekt, so der Landtagspräsident.

Utz Schliesky, Andreas Meitzner, Klaus Schlie, Mette Bock und Hinrich Jürgensen. Foto: Harro Hallmann

Grenzen könnten nicht durch Krieg und anschließende Diktate von Siegermächten festgelegt werden, so Schlie. „Für uns als Schleswig-Holsteiner hat die Minderheit auch dazu beigetragen, kulturelle Vielfalt als Element der Weiterentwicklung zu betrachten, gleichzeitig aber auch als Identitätsstiftendes Merkmal für Minderheiten beizubehalten“, so Schlie.

Dies sei auch eine europäische Perspektive, denn „die Minderheitenpolitik hier im Grenzraum ist ein wirkliches Modell, durch die Brückenfunktion der Minderheit, bei Beibehaltung der eigenen Identitäten, der nationalen Mehrheitsidentität aber auch der Minderheitenidentität“. Dieser „Pluralitätsgedanke“ sei der eigentliche Zukunftsgedanke für Europa, so Schlie. Dies sei auch in den Gesprächen mit den dänischen Kollegen Konsens gewesen.

„Das Verbindende, bei aller Beibehaltung der unterschiedlichen Sichtweisen auf die Geschichte, war der Blick nach vorne“, sagt Schlie über die Gespräche in Kopenhagen.
 

Von links: Hans Christian Schmidt, Hinrich Jürgensen, Carsten U. Larsen, Pia Kjærsgaard, Utz Schliesky, Klaus Schlie, Andreas Meitzner. Foto: Mareika Watolla/Landtag SH

Wird das Grenzland Weltkulturerbe?

Der BDN, neben Jürgensen waren auch Generalsekretär Uwe Jessen, der Leiter des Kopenhagener Sekretariats, Jan Diedrichsen und Kommunikationschef Harro Hallman nach Kopenhagen gereist, hatte neben dem Geschichtsbuch noch ein weiteres wichtiges Anliegen: Den, das Zusammenleben im deutsch-dänischen Grenzland als Unesco-Weltkulturerbe anerkennen zu lassen. Ein Entwurf für den Antrag, vom BDN vorbereitet, wurde Kulturministerin Bock am Mittwoch überreicht. Denn es ist Dänemark, dass den Antrag stellen muss.

„Aber ich habe versichern können, dass gerade wir aus schleswig-holsteinischer Sicht diesen Antrag mit ganzer Energie und voller Überzeugung mitunterstützen und dazu beitragen werden, alle Stellen, die daran mitarbeiten, zu überzeugen, dass diese Sache es wirklich Wert ist, 2020 zum Abschluss gebracht zu werden“, so Schlie am Mittwoch in Kopenhagen.
 

Eine rückwärtsgewandte Diskussion wird keinem helfen.

Klaus Schlie

„Es wäre ein großartiges Zeichen, auch für andere Regionen in Europa und weit darüber hinaus, wie positiv sich eine solche Arbeit von Minderheiten für Kultur, für Sprache, für Identität aber vor allen Dingen für Völkerverständigung auswirkt“, so Schlie weiter.

Sein Fazit des ersten von zwei Tagen in Kopenhagen: Das Verständnis dafür, dass der Blick nach vorne gehen muss, sei auf allen Seiten da. „Rückbetrachtung ist notwendig, es ist ein historisches Datum – aber eine rückwärtsgewandte Diskussion wird keinem helfen“, so Schlie, das habe auch die Folketingspräsidentin gesagt.

Bei zwei großen Veranstaltungen in Kopenhagen und Kiel sollen die beiden Länder und die Grenzregion präsentiert werden. Hinrich Jürgensen freut das, denn dabei würde über die Grenzziehung hinaus auf das heutige Zusammenleben geblickt. Auch das Projekt des Deutschen Museums in Sonderburg wurde erneut besprochen – und ein zentraler Punkt waren Jugendprojekte wie Schülerbotschafter, die die Grenzlandgeschichte erzählen werden.

Konkrete Beschlüsse hat es bei dem als Austausch angelegten Treffen in Kopenhagen am Mittwoch nicht gegeben. Aber dass es für das Buchprojekt aus Nordschleswig nicht schlecht aussieht, unterstreicht folgende Aussage des Landtagspräsidenten: „Gerade das Projekt gemeinsames Schulbuch ist ein Projekt, was über den Tag hinaus geht und ungeheuer wichtig, um die nächste Generation mitzunehmen. Und für mich, der aus dem Süden Schleswig-Holsteins kommt, ist es auch unheimlich wichtig und mehr als nur ein Stückchen Regionalgeschichte, es ist ja ein Stück Identität von Schleswig-Holstein, die wir ja nun über Jahrhunderte zum dänischen Gesamtstaat gehörten.“

Das 2020-Programm soll am 10. Januar 2020 mit einer Großveranstaltung in Kopenhagen beginnen. Danmarks Radio, so Hinrich Jürgensen, habe bereits zugesagt, vier Programme zum Thema vorzubereiten.

Am Donnerstag gehen die Gespräche in Kopenhagen weiter mit einem Treffen mit dem Präsidenten des Nordischen Rates, Michael Tetzschner aus Norwegen, und der Sitzung des Nordschleswig-Gremiums.

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