Grenzkontrollen

EU kann keine Zwangsmaßnahmen ergreifen

EU kann keine Zwangsmaßnahmen ergreifen

EU kann keine Zwangsmaßnahmen ergreifen

Apenrade/Hamburg
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Grenzkontrollen
Foto: Scanpix

Die EU-Kommission will die Grenzkontrollen abschaffen – Dänemarks Regierung will weiter kontrollieren. Der Europarecht-Experte Markus Kotzur von der Uni Hamburg sieht die EU in der Klemme – denn Zwangsmaßnahmen sind nicht möglich.

„Es ist die dänische Regierung und nicht die EU-Kommission, die entscheidet, ob die Grenzkontrollen fortgesetzt werden sollen“ – das hat Dänemarks Ausländerministerin Inger Støjberg (Venstre) am Donnerstag auf Facebook mitgeteilt. Damit reagiert sie auf die Mitteilung von EU-Migrationskommssar Dimitris Avramopoulos vom Mittwoch, dass die EU-Kommission keine weitere Verlängerung der Grenzkontrollen gutheißen werde. Die Grundlage dazu sei nicht mehr gegeben, weil nicht mehr so viele Menschen nach Europa kommen, wie vor rund zwei Jahren.

Doch wie sehen die Alternativen aus? Politische Kommentatoren in Dänemark schreiben, Dänemark könnte möglicherweise darauf setzen, ähnlich wie Frankreich, die Terrorgefahr als Begründung für Grenzkontrollen anzuführen und so eine Verlängerung zu erwirken. Zugleich arbeiten just Frankreich und Deutschland politisch daran, die europäischen Hürden für die Grenzkontrollen herabzusetzen.

Gibt es in Brüssel keine politische Einigung und somit kein grünes Licht für weitere Grenzkontrollen, sind die Mittel der EU begrenzt, Dänemark daran zu hindern, zu kontrollieren.

„Die EU kann keine Zwangsmaßnahmen ergreifen“

„Es besteht immer die Möglichkeit, ein Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten“, sagt der Jura-Professor Markus Kotzur von der Uni Hamburg im Gespräch mit dem Nordschleswiger. Der Europäische Gerichtshof müsse dann entscheiden. Das Problem aus europäischer Sicht: „Die EU kann keine Zwangsmaßnahmen ergreifen. Denkbar sind Schadenersatzleistungen, aber Zwangsmittel gibt es nicht“, so Kotzur. Die EU könne Dänemark faktisch nicht daran hindern, weiter zu kontrollieren, aber „es kann durchaus finanzielle Konsequenzen haben“.

Er nennt das Beispiel Ungarn. Das Land weigert sich, Flüchtlinge aufzunehmen. Die EU sagt jedoch, dass Ungarn dazu verpflichtet ist. Der Europäische Gerichtshof hat jetzt (am Mittwoch) eine Klage Ungarns und der Slowakei zurückgewiesen, die sich nicht an einen entsprechenden Beschluss der EU-Mitgliedsstaaten vom September 2015 halten wollen. Die Regierung der Slowakei will das Urteil – wenn auch unter Protest – akzeptieren. Ungarn jedoch weigert sich – und stellt damit das gesamte Rechtssystem der EU infrage. Denn das basiert weitgehend auf Freiwilligkeit. Dieses Beispiel zeige die „großen Probleme einer supranationalen Union“, so Kotzur.

Ungarn spannt den Bogen weiter, als dies bisher je der Fall war

Bisher sei es, berichtet unterdessen der Spiegel, noch nie soweit gekommen, dass ein EU-Mitgliedsstaat nach der Verhängung von Zwangszahlungen nicht eingelenkt habe. Im Falle Ungarns allerdings deute sich das gerade an.

Letztes und radikalstes Mittel der EU ist schließlich die Suspendierung. Die Union kann gegen bestimmte Staaten ein Suspendierungs-Verfahren nach Artikel 7 des Lissabonner EU-Vertrags anstrengen – und ihnen das Stimmrecht entziehen.

Diese Suspendierung ist möglich, wenn ein Mitgliedstaat in schwerwiegender Weise die Grundwerte der Europäischen Union verletzt. Dazu gehören die Achtung der Menschenwürde, die Freiheit, die Demokratie, die Gleichheit, die Rechtsstaatlichkeit sowie die Achtung der Menschenrechte und die Rechte der Personen, die Minderheiten angehören.

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