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Finanzieller Rahmen überschritten: Arztpraxen müssen priorisieren

Finanzieller Rahmen überschritten: Arztpraxen müssen priorisieren

Finanzieller Rahmen überschritten: Ärzte müssen priorisieren

ghe/Ritzau
Kopenhagen/Hadersleben
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Arztpraxen müssen Geld sparen.
Arztpraxen müssen Geld sparen. Foto: Mads Jensen/Ritzau Scanpix

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Allgemeinmedizinerinnen und -mediziner in Dänemark sprengen in diesem Jahr vermutlich den ihnen zugesprochenen Finanzrahmen deutlich. Die Folgen bekommen Patientinnen und Patienten zu spüren, die bis zum Ende des Jahres vermutlich keinen Termin mehr bekommen. Hans-Iver Kley, der in Hadersleben praktiziert, erklärt, warum der aktuelle Budgetrahmen zu gering ist.

Viele Patientinnen und Patienten werden mit einem Besuch bei ihrer Hausärztin oder ihrem Hausarzt wohl bis ins kommende Jahr warten müssen. Das Problem: Allgemeinmedizinerinnen und -mediziner haben 2023 so viel zu tun, dass der Finanzrahmen in diesem Jahr um 164 Millionen Kronen überschritten wird, wenn es so weitergeht wie bisher. Das berichtet „TV2 Kosmopol“. Die Folge ist, dass die Ärztinnen und Ärzte für den Rest des Jahres weniger Menschen behandeln werden. 

Verhandlungen geplant

In einer E-Mail der Organisation der Allgemeinmediziner (Praktiserende Lægers Organisation), die dem Sender vorliegt, schreibt die PLO unter anderem, dass im Laufe des Jahres mehr Prioritäten gesetzt werden müssen.

So heißt es: „Das Beste für die Patientinnen und Patienten und die Allgemeinmedizin ist nach wie vor eine Aufstockung des Finanzrahmens. In den kommenden Tagen werden wir daher einen letzten Versuch unternehmen, mit den dänischen Regionen darüber zu verhandeln.“ Man könne sich jedoch nicht darauf verlassen, dass eine solche Verhandlung zu einem Ergebnis führt. „Daher müssen wir uns darauf konzentrieren, unsere Arbeitsanstrengungen für den Rest des Jahres zu priorisieren“, heißt es in der E-Mail an die Mitglieder.

So sieht es auch Hans-Iver Kley, der seit 2004 praktizierender Allgemeinmediziner in Hadersleben (Haderslev) ist. „Wenn Danske Regioner den ökonomischen Rahmen nicht erhöht, können wir unser Serviceangebot im kommenden Jahr nicht aufrechterhalten.“

Hans-Iver Kley ist Allgemeinmediziner in Hadersleben. Foto: Ute Levisen

Serviceangebot könnte sich verschlechtern

Eine Lösung sei etwa, kleinere Angebote, wie die Entfernung eines Muttermalen oder die Blutprobenentnahme bei einem Hausbesuch zu streichen und stattdessen zu einem Facharzt zu überweisen. Das würde aber einen Mehraufwand für die Patientinnen und Patienten, längere Wartezeiten und am Ende auch höhere Kosten bedeuten, weil die Behandlung durch Fachärztinnen und Fachärzte teurer ist. Solche Einsparungen machen zu müssen, würde ihn traurig machen, so der Arzt. „Es soll ja den Patienten so wenig wie möglich treffen.“ Die Stimmung in der Ärzteschaft sei daher nicht so gut. 

Urlaub und Fortbildungen statt Sprechstunde

Laut „TV2 Kosmopol“ ermutige die PLO die Ärzteschaft, Urlaub zu planen, sich freizunehmen oder sich fortzubilden. Dies bedeutet, dass Bürgerinnen und Bürger länger auf einen Arzttermin warten müssen.

Allgemeinmedizinerinnen und -mediziner erhalten ein Honorar von 156,39 Kronen pro Konsultation, schreibt der Sender. Wenn die Zahl der Konsultationen jedoch so bleibt wie bisher, wird der finanzielle Rahmen überschritten. Für den Rest des Jahres bedeutet dies, dass die meisten Praxen mehr als 4,5 Tage für Sprechstunden freinehmen, wenn der finanzielle Rahmen nicht überschritten werden soll.

„Auch wir werden in der Woche vor Weihnachten sehen, dass wir nur Akutpatienten aufnehmen“, so Kley. Das Personal könne zum Beispiel Überstunden abbauen. „Die Patienten werden das vor Weihnachten spüren“, ist der Mediziner sicher. Vorsorgetermine, etwa bei Schwangeren, seien davon nicht betroffen. Auch gebe es spezielle Absprachen mit den Regionen über Hausbesuche. „Solche Termine könnte man in dieser Zeit mehr machen.“

Darf nicht zulasten Schwerkranker gehen

Karin Friis Bach (Radikale), Vorsitzende des Ausschusses für das lokale zusammenhängende Gesundheitssystem in der Hauptstadtregion, fordert, dass die Situation keine Auswirkungen auf schwerkranke Patientinnen und Patienten haben sollte.

„Es gibt vielleicht einige Behandlungen, die auf das nächste Jahr verschoben werden können, ohne dass es eine Rolle spielt. In diesem Zusammenhang denke ich, dass man einige Dinge verschieben und die Zeit stattdessen für etwas anderes nutzen kann“, sagt sie dem Sender.

Schlankheitsmittel, E-Mails und Telefonate

Dass es überhaupt so weit kommen konnte, hat laut Kley vielschichtige Gründe. So habe der Boom beim Schlankheitsmittel Wegovy mit dazu beigetragen, dass der diesjährige Finanzrahmen gesprengt wird. Drei bis vier Konsultationen seien für diejenigen nötig, die das Medikament bekommen wollen – von der Blutprobenabnahme bis zum Kontrolltermin. Auch Medikamente, die nicht zu bekommen und daher neu zu verschreiben sind, verursachen Kosten. „Ein Telefonat mit dem Patienten kostet 24 Kronen“, so Kley. Auch die Konsultationen per E-Mail haben deutlich zugenommen. „Wir haben 50 bis 60 E-Mails pro Tag, die wir innerhalb von 24 Stunden beantworten wollen“, so Kley.

Im Sommer 2024 soll etwa die Bezuschussung für das Diabetes-Medikament Ozempic wegfallen. Das werde die Zahl der Konsultationen im kommenden Jahr erhöhen, so Kley. „Leider sieht die Regionalpolitik nicht immer die zukünftigen Kosten, sondern nur den Ist-Zustand.“ Laut Kley verursache ein einzelner Bürger in Dänemark pro Tag Arztkosten in Höhe von 3 Kronen. „Das entspricht 8 Prozent der Gesamtgesundheitsausgaben. Es müssten insgesamt 27 Kronen pro Kopf in Dänemark mehr ausgegeben werden, um das Problem zu beheben, vor dem wir gerade stehen“, so Kley.  

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