Die Woche am Alsensund

Es gibt Entscheidungen, die ich bitter bereue

Es gibt Entscheidungen, die ich bitter bereue

Es gibt Entscheidungen, die ich bitter bereue

Sonderburg/Sønderborg
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Eine neue Woche am Alsensund mit Kolumnistin Sara Eskildsen Foto: Karin Riggelsen

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Nach manchen Entscheidungen geht man hart mit sich ins Gericht, und manche Entscheidungen bringen einen ins Gericht. Warum mit überraschenden Wendungen im Leben immer zu rechnen ist, darüber denkt Sara Eskildsen in ihrer neuen Kolumne nach.

Diese Woche am Alsensund (Alssund) begann mit einem Artikel über den Wunsch eines Verstorbenen. Ein Ur-Opa bat zu seiner Beerdigung statt Blumen um Spenden für die Schule seiner Enkel. Die Förde-Schule investierte das Geld in eine Riesen-Rutsche, die auch Jahre nach der Beerdigung nicht verwelkt. Auf dem Schulhof geht es nun in den Schulpausen täglich bergab, zur großen Freude der Kinder.

Beim Schreiben des Artikels kam ich nicht umhin, mich zu fragen, was ich wohl einst bei meiner Beerdigung hinterlasse. Wer Blumen auf mein Grab legt – und wer nicht. Meine eigene Beerdigung ist eines jener Themen, die ich im Alltag lieber sanft ruhen lasse. Auch wenn nichts so sicher ist wie der eigene Tod, verschiebe ich den Gedanken doch lieber ans Ende des Lebens. Wann auch immer das auch ist.

Mit Pistole im Reisegepäck nach Alsen

Ein jähes Ende, nämlich das seines Urlaubes, erlebte in dieser Woche ein 72-jähriger deutscher Urlauber, der am Donnerstag statt auf seinem Segelboot im Sonderburger Gericht vor dem Haftprüfungsrichter saß. Der Mann aus Salzgitter hatte bei Norburg (Nordborg) sein Segelboot klarschiff machen wollen. Doch als er mit einer Herzattacke ins Krankenhaus eingeliefert wurde, fand eine Krankenschwester in der Tasche des Mannes eine geladene Pistole.

Beim Haftprüfungstermin konnte der Mann nicht wirklich erklären, wie die Pistole in die Reisetasche gelangt war, und in den kommenden vier Wochen werden Staatsanwaltschaft und Polizei weitere Ermittlungen anstellen. Dass der ältere Herr in hellblauem Poloshirt und Segler-Latschen am Tisch vor mir nicht im kriminellen Bandenmilieu von Salzgitter zu Hause ist, konnten sich im Gerichtssaal alle ausrechnen. Doch geladene Pistole bleibt geladene Pistole, und die ist im dänischen Alltagsleben weder erwünscht noch erlaubt.

Die Frage, ob man an der einen oder anderen Abzweigung anders hätte abbiegen sollen, ist und bleibt ebenso müßig wie interessant.

Sara Eskildsen, Kolumnistin

U-Haft statt Urlaub – mit überraschenden Wendungen ist im Leben immer zu rechnen. Oft sind es die zunächst unscheinbaren Dinge, die eine Kette von Ereignissen nach sich ziehen. Eine rasch eingepackte Reisetasche – huch, da lag ja eine Pistole drin! – bringt einen ins Gefängnis. Aus der Einladung einer Schulfreundin, den Sommerurlaub 1999 mit ihrer Familie auf der Insel Röm (Rømø) zu verbringen, wurde mein Leben in Dänemark. Keine Ahnung, ob ich ansonsten jemals von der Stadt Sonderburg oder dem „Nordschleswiger“ gehört hätte. Vermutlich nicht.

Rotwein oder Ribena?

Wendungen und Möglichkeiten, wohin man denkt. In welchem Land wollen wir leben? Beginne ich ein Studium? Hauskauf oder Weltreise? Sicheren Lohn oder Selbstständigkeit? Ein weiteres Pony oder Pfingsturlaub? Joggen gehen oder liegen bleiben? Rotwein oder Ribena? Mit welchen Menschen verbringe ich meine Lebenszeit – und mit welchen nicht?

Die Möglichkeiten sind immer vorhanden. Es sind unsere Entscheidungen, ob wir sie wahrnehmen oder verwerfen.

Vor der Blütezeit kommt der Winter: Im Spätfrühling zwischen Ende April und Mitte Mai ist es so weit, die Apfelbäume blühen. Foto: Steen Agger/Biofoto/Ritzau Scanpix

Die Frage, ob man an der einen oder anderen Abzweigung anders hätte abbiegen sollen, ist und bleibt ebenso müßig wie interessant.

Es gibt Lebensentscheidungen, die ich bitter bereue. Bei denen ich mich frage, warum ich mich nicht anders verhalten, mich nicht anders entschieden habe. Am Ende bringt einen das aber auch nicht weiter.

Vielmehr hilft die Erkenntnis, dass Entscheidungen immer richtig sind. Weil sie uns zum damaligen Zeitpunkt offenbar richtig vorkamen, sonst hätten wir sie nicht getroffen. Und es muss ja schließlich auch Vorteile am Älterwerden geben: Man wird mit jedem Jahr ein wenig klüger und besonnener.

Was ich mir zu meiner Beerdigung wünsche, weiß ich aber immer noch nicht. Die Ponys und Pferde werden vermutlich unter meiner Bonus-Tochter und den Nichten und Neffen aufgeteilt.

Wer im Wind sät, kann im Sturm ernten

Mit Blick auf den bevorstehenden Frühling will ich die Gedanken an meinen Nachlass jedoch erneut von mir schieben und mir lieber überlegen, wo ich die Grubensohle lockere, um mein Apfelbäumchen zu pflanzen, das ich von meiner Schwiegermutter geschenkt bekommen habe.

Wenn mir die Rehe nicht wieder alles abkauen, kann ich mich in ein paar Jahren über Schatten und Äpfel freuen. Das Bäumchen wird Wurzeln schlagen und bei jedem Sturm ein Stückchen stärker. Wer im Wind sät, kann im Sturm ernten.

Ich werde den Ästen beim Wachsen zuschauen und mich darüber freuen, dass nach wirklich jedem Winter ein Frühling kommt, der neue Blüten trägt. Und wenn mir die ein oder andere Abzweigung komisch vorkommt, werde ich mich daran erinnern, dass auch an krummen Ästen leckere Äpfel wachsen können.

 

 

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