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„Long John“ wird 60: „Wir waren die reinsten Amateure“

„Long John“ wird 60: „Wir waren die reinsten Amateure“

„Long John“ wird 60: „Wir waren die reinsten Amateure“

Apenrade/Aabenraa
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John Jacobsen war 1991 mit 150 Treffern Torschützenkönig der dänischen Liga. Foto: Friedrich Hartung

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Der Tingleffer John Jacobsen absolvierte 68 Länderspiele für Dänemark, wurde Torschützenkönig der dänischen Liga, spielte bei Kolding IF und der SG Flensburg-Handewitt. „Long John“ wirft einen Blick zurück und spricht über die große Bedeutung, die Handball-Legende Anders Dahl-Nielsen für seine Karriere hatte.

Sein knallharter Wurf war überall gefürchtet. Erst bei den Gegnern des SV Tingleff, später auf höchstem Niveau bei den Kontrahenten von Ribe HK, Kolding IF, Fredericia HK, der SG Flensburg-Handewitt und des VfL Bad Schwartau.

John Jacobsen, der wegen der Körpergröße von mehr als zwei Metern den Spitznamen „Long John“ trug, feiert am Montag, 12. August, seinen 60. Geburtstag und wirft einen Blick zurück auf seine Handball-Karriere.

Halbfinale in der Champions League

„Man möchte ja immer mehr erreichen, aber ich bin Torschützenkönig der dänischen Liga geworden, habe in der Nationalmannschaft gespielt, stand mit KIF im Halbfinale der Champions League, kann auf viele große Erlebnisse zurückblicken und habe es geschafft, Profi zu werden. Das war mein Traum“, sagt John Jacobsen zum „Nordschleswiger“.

Die Zeit damals sei aber mit der heutigen überhaupt nicht zu vergleichen.

John Jacobsen ist heute Volksschullehrer in Aarslev südlich von Odense. Foto: Privat

„Heutzutage ist alles auch in Dänemark topprofessionell. Wir waren damals die reinsten Amateure. Uns ging es gut, so wie es nun einmal war, aber die Entwicklung ist schon enorm. Wir hatten nebenher einen Vollzeitjob, trainierten bei Ribe HK dreimal, bei KIF viermal in der Woche. Als ich zwei Jahre in Deutschland war, hatten wir bei jedem Training einen Physiotherapeuten und einen Arzt vor Ort. In Dänemark war fast alles uns selbst überlassen, wie der Körper regenerierte und wie wir das richtige Essen zu uns nahmen. Wir hatten einmal in der Woche einen Physiotherapeuten beim Training, und wenn man da der siebte in der Schlange war, kam man vielleicht gar nicht dran“, erinnert sich John Jacobsen.

Viele Höhepunkte fallen ihm ein, der Sprung vom SV Tingleff zu Ribe HK gehört für ihn dazu.

Anders Dahl-Nielsen mit bedeutender Rolle

„Dass ich den Sprung zu Ribe HK gewagt habe, war für mich ein Höhepunkt. Ich habe als Spediteur in Pattburg gearbeitet und bin direkt von der Arbeit zum Training nach Ripen gefahren. Ich bin um 7 Uhr morgens aufgestanden und war um 22 Uhr zu Hause. Das erste Jahr war ein Lehrjahr. Anders Dahl-Nielsen hat mit seiner Erfahrung eine große Rolle gespielt, er hat mir den Glauben an eigene Fähigkeiten gegeben. Ich hatte die nötige Geduld, habe im ersten Jahr auf meine Chancen gewartet, im zweiten Jahr immer mehr gespielt und war im dritten Jahr Stammspieler und in der Hierarchie ganz oben. Ich habe mich mit den Fähigkeiten durchgesetzt, die ich nun mal hatte. Ich hatte einen guten Wurf und meine Körpergröße“, so der Tingleffer.

Anders Dahl-Nielsen spielte nicht nur zu Beginn seiner Karriere eine große Rolle.

„Er ist auf der ganzen Reise dabei gewesen. Ich hatte ihn bei Ribe HK, in der Nationalmannschaft, in Fredericia und bei Flensburg-Handewitt. Er hatte für mich eine große Bedeutung. Ich habe gespürt, dass er an mich glaubte. Er hat es nicht direkt gesagt, aber ich konnte es spüren“, erzählt John Jacobsen.

68 Länderspiele absolvierte John Jacobsen von 1989 bis 1992 für Dänemark. Foto: Arne Flemming

Der Rückraumspieler wurde bei Ribe HK Torschützenkönig der dänischen Liga, hätte aber gerne bessere Rahmenbedingungen gehabt, um sportlich noch besser zu werden.

„Ich hätte gerne mehr trainiert, auch physisch. Anders Dahl hat mir gesagt, dass ich um 6 Uhr aufstehen und laufen gehen könne, aber man muss ja auch die Kraft dazu haben, wenn man nebenher einen Vollzeitjob hat“, so der Tingleffer.

Nach drei Jahren bei Ribe HK ging es zu Kolding IF.

Bad Schwartau ein Schritt zurück

„Ein Angebot von KIF konnte man damals nur schwer ablehnen. Man weiß nie, ob ein solches Angebot wiederkommt“, so John Jacobsen, der sich über professionellere Rahmenbedingungen in Kolding freute und diese auch bei der SG Flensburg-Handewitt vorfand, wo er in der Saison 1993/94 spielte. Der anschließende Wechsel zum damaligen Bundesliga-Rivalen VfL Bad Schwartau war allerdings ein Schritt zurück.

„Ich habe mich in Bad Schwartau gewundert, dass wir nicht mehr trainieren. Das war eine Stunde vormittags und sonst nichts. Ich habe im Verein gefragt, ob ich Krafttraining machen könnte. Sie waren einverstanden, aber das musste ich selbst bezahlen. Das war dort leider nicht so professionell, wie es sein konnte“, meint der Rückraumspieler.

John Jacobsen im Duell gegen seinen ehemaligen Nationalmannschafts-Kollegen Lars Hamann. Foto: Helge Grøhn

„Ich hatte die Möglichkeit, in Schwartau zu bleiben oder auch anderswo in der Bundesliga zu spielen, aber ich wollte gerne nach Hause und ein Studium beginnen. Ich wollte nicht zurück in meinen Spediteur-Job und bin Lehrer geworden“, sagt John Jacobsen, der heute als Volksschullehrer an der „Bøgehøjskolen“ in Aarslev südlich von Odense arbeitet.

John Jacobsen spielte nach seiner Rückkehr nach Dänemark noch eine Saison für Liga-Aufsteiger Nyborg und zwei Jahre für eine Odense-Mannschaft unter Bent Nyegaard, die aus der 2. in die 1. Division aufstieg und nur knapp den Aufstieg in die Liga verpasste.

2001 war nach anhaltenden Schulterbeschwerden endgültig Schluss. Nach der Karriere war er Trainer von U14-, U16- und U18-Mannschaften, aber heute nicht mehr. 

John Jacobsen (2. v. l.) mit seinen Nationalmannschafts-Kollegen (von links) Erik Vejle Rasmussen, Frank Jørgensen, Klaus Sletting Jensen, Otto Mertz und Nils Erik Kildelund Foto: Arne Flemming

„Ich habe bis Ende 40 noch Oldboys-Handball bei IF Stjernen gespielt, aber jetzt schwimme ich zweimal wöchentlich und mache ein wenig Krafttraining“, sagt John Jacobsen, der in Odense lebt und gelegentlich noch in Tingleff ist.

„Ich besuche ab und zu meine Mutter in Tingleff und fahre nach Flensburg. Tingleff hat sich verändert, und es ist nicht so wie früher, wo ich noch zur Sporthalle gefahren bin und mir Handball anschauen konnte. Das vermisse ich, aber da ist nicht mehr viel“, sagt der 60-Jährige.

John Jacobsen

68 Länderspiele, 194 Tore

Länderspieldebüt: 2. Mai 1989, 10 Tore beim 27:23-Sieg in Tokio gegen Japan

Letztes Länderspiel: 22. November 1992 beim 26:19-Sieg in Rumänien gegen Polen.

Stationen: SV Tingleff, Ribe HK, Kolding IF, Fredericia HK, SG Flensburg-Handewitt, VfL Bad Schartau, Nyborg, Odense.

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