Flensburg

Autor Ronen Steinke im Kühlhaus: Zahl der antijüdischen Übergriffe hat spürbar zugenommen

Autor: Zahl der antijüdischen Übergriffe hat spürbar zugenommen

Autor: Zahl der antijüdischen Übergriffe hat zugenommen

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Der jüdische Journalist, Buchautor und Jurist Ronen Steinke wirft dem deutschen Staat, dessen Kernaufgabe der Schutz seiner Bürger sein müsse, Versagen bei der Bekämpfung des Antisemitismus vor. Foto: Michael Staudt / SHZ

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In einem Gespräch mit Jonas Kuhn, dem Leiter des Jüdischen Museums in Rendsburg, und Freya Elvert, Referentin beim Landesbeauftragten für politische Bildung, berichtete Steinke über seine Recherchen zu seinem vor einem Jahr erschienen Buch „Terror gegen Juden“.

Die Zahl der antisemitischen Übergriffe hat in jüngster Zeit spürbar zugenommen – sie reichen von Hass, Hetze, Verleumdung und Gewalttaten gegen jüdische Einrichtungen wie Synagogen und Gemeindezentren bis zu Mordversuchen und Morden wie am 9. Oktober 2019 in Halle, als ein Rechtsterrorist das jüdische Gotteshaus stürmen wollte. Der jüdische Journalist, Buchautor und Jurist Ronen Steinke aus Berlin spricht von einem „Terror gegen Juden“ und wirft dem deutschen Staat, dessen Kernaufgabe der Schutz seiner Bürger sein müsse, Versagen bei der Bekämpfung des Antisemitismus vor.


Die Judenfeindlichkeit erstarke wieder, und die Ermittlungsbehörden und die Justiz versagten immer wieder aufs Neue, betonte er weiter am Montagabend in der Kulturwerkstatt Kühlhaus in Flensburg auf einer Informationsveranstaltung des Landesbeauftragten für politische Bildung in Kooperation mit dem Jüdischen Museum Rendsburg und der orthodoxen Jüdischen Gemeinschaft Schleswig-Holstein, der auch die Jüdische Gemeinde Flensburg angehört.

Gottesdienste unter Polizeischutz

In einem anregenden Gespräch mit Jonas Kuhn, dem Leiter des Jüdischen Museums in Rendsburg, und Freya Elvert, Referentin beim Landesbeauftragten für politische Bildung, berichtete Steinke anschaulich über seine Recherchen zu seinem vor einem Jahr erschienen Buch „Terror gegen Juden“, die ihn kreuz und quer durch Deutschland führten. Dabei konstatierte er „jüdisches Leben im Belagerungszustand“. Gottesdienste fänden unter Polizeischutz statt; Mitglieder jüdischer Gemeinden gäben sich aus Angst nicht als solche zu erkennen und zögen sich immer weiter zurück ins Private. Die Folge: „Jüdisches Leben ist sehr unsichtbar.“

„Der Hass auf die Juden stirbt nicht aus“

Dabei gehöre zur Strategie, dem alten Übel des Antisemitismus wirksam zu begegnen, neben der fortwährenden, breit angelegten Aufklärung und Bildungsarbeit auch und gerade die Begegnung mit Mitgliedern und Vertretern jüdischer Gemeinden. Ronen Steinke musste einräumen, dass es ein Patentrezept im Kampf gegen die Judenfeindschaft nicht gebe: „Der Hass auf die Juden stirbt nicht aus.“

Er sei fest verankert in vielen gesellschaftlichen Schichten. Auch heute noch müssten die Juden immer wieder als Sündenböcke herhalten, sobald das alte, vertraute Leben total aus den Fugen gerate. Als jüngstes Beispiel nannte er die Corona-Pandemie, hinter der manche Verschwörungstheoretiker Juden als Drahtzieher ausmachten. Als einst in Europa die Pest ausbrach, sollen auch Juden schuld daran gewesen sein, sagte Steinke.

Nur wenig Anzeigen

Nur 20 Prozent aller antisemitischen Vorfälle würden zur Anzeige gebracht – mit sinkender Tendenz. Das Vertrauen in die Bereitschaft der Ermittlungsbehörden, den Fällen ernsthaft nachzugehen, habe in letzter Zeit stark gelitten. Reinke ließ deren Erklärung, sie seien angesichts der Vielzahl der Vorgänge personell überfordert, nicht gelten und ermutigte sein Publikum ausdrücklich, judenfeindliche Ausfälle und Angriffe in jeden Fall bei der Polizei anzuzeigen.

Die Diskussion mit dem Publikum offenbarte letztlich auch ein Stück Ratlosigkeit, wie der Antisemitismus wirksam zu bekämpfen sei. So steht zu befürchten, dass Steinke seine im Anhang des Buches veröffentlichte Chronologie der gegen Juden und jüdische Einrichtungen gerichteten Angriffe in Zukunft fortschreiben muss.

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