Diese Woche in Kopenhagen

„Jetzt müssen Mette, Jakob und Lars beweisen, was sie draufhaben“

Jetzt müssen Mette, Jakob und Lars beweisen, was sie draufhaben

Mette, Jakob und Lars müssen beweisen, was sie draufhaben

Kopenhagen
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Die Stimmung in der SVM-Koalition ist gut: Jakob Ellemann-Jensen, Mette Frederiksen, Lars Løkke Rasmussen und Finanzminister Nicolai Wammen bei der Eröffnung des Folketings Foto: Jens Dresling/Ritzau Scanpix

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Als die SVM-Koalition im Dezember vergangenen Jahres ihr Regierungsprogramm vorstellte, bezeichneten die drei Parteichefs das Ereignis als historisch. In der neuen politischen Saison wird sich herausstellen, wie viel Inhalt sich hinter den schönen Worten versteckt. Kopenhagen-Korrespondent Walter Turnowsky ist schon einmal gespannt. 

Es mangelte nicht an Pathos, als sich Mette Frederiksen, Jakob Ellemann-Jensen und Lars Løkke Rasmussen am 14. Dezember des vergangenen Jahres als das neue Dream-Team der dänischen Politik präsentierten.

„Historisch“ sei die Bildung der Mehrheitsregierung über die Mitte hinweg. Notwendige Reformen sollten ohne Störfeuer von den politischen Rändern umgesetzt werden. Daher hätten sich die drei ungleichen Parteien, die Sozialdemokratie, Venstre und die Moderaten, in einer Arbeitsgemeinschaft (arbejdsfælleskab) zusammengefunden.

Und auch im Regierungsprogramm finden sich die getragenen Töne wieder. Das fängt bereits beim Titel „Verantwortung für Dänemark“ (Ansvar for Danmark) an. In der Präambel ist von „ernsten Zeiten für unseren Kontinent und Dänemark“ die Rede.

„Mit dieser Regierungsgrundlage macht Dänemark einen historischen Schritt in politisch schweren Zeiten“, wird ein weiteres Mal die Einzigartigkeit dieser Koalition betont.

Umfragetief in Kopenhagen und Berlin

Historisch sind bislang allerdings vor allem die miserablen Umfragewerte der SVM-Arbeitsgemeinschaft. In der Beziehung kann sie fast mit den Ampelkollegen in Berlin mithalten. Die drei Regierungsparteien in Kopenhagen sind von gemeinsamen 50,1 Prozent bei der Wahl auf 40,3 Prozent (Voxmeter) abgesackt. Die Koalitionsparteien in Deutschland kämen in dieser Woche auf 36,5 Prozent (INSA) verglichen mit 52,0 Prozent bei der Bundestagswahl. Aber sie haben immerhin auch fast ein Jahr mehr Zeit gehabt, um die Wählerinnen und Wähler zu vergrätzen.

Wobei es einen augenfälligen Unterschied gibt: Während die Ampel im Dauerstreit liegt, herrscht bei der Koalition auf Christiansborg Friede, Freude, Eierkuchen. Die Einigkeit wird nicht nur bei den gemeinsamen Pressekonferenzen demonstriert. Auch hinter verschlossenen Türen funktioniert die Zusammenarbeit laut Flurfunk vorzüglich.  

Und das ist nicht der einzige Grund, weshalb sich die drei verantwortungsbewussten Musketiere Hoffnung machen, die Gunst des Wahlvolkes doch noch zurückzugewinnen. Sie haben immerhin noch drei Jahre Zeit dafür. Und sie legen jetzt erst so richtig los.

Jetzt geht’s los

Im ersten Jahr mussten sie fix einen Haushalt zusammenzimmern, der nur begrenzt Akzente der neuen Koalition enthielt. An Reformen gab es vor allem die Abschaffung des Buß- und Bettages, die nicht ganz wenig mit den mauen Umfragen zu tun hat.

Vergangene Woche wurde das erste volle Folketingsjahr für die Regierung eingeläutet. In puncto Gemeinschaft läuft es wie erwähnt in der AG bereits gut, jetzt soll es auch in puncto Arbeit so Einiges geschehen. Das hat Mette, die Chefin des Triumvirats, bereits in ihrer Eröffnungsrede am Dienstag vergangener Woche angekündigt. Einen großen Teil der Rede widmete sie einer besseren, einer freieren Volksschule.

Initiativen für die Volksschule

Und siehe da: eine Woche später konnte ihr Parteikollege und Unterrichtsminister Mattias Tesfaye 35 Initiativen für „Freiheit und Vertiefung“ an den Volksschulen vorstellen. Weniger detaillierte Lehrpläne, mehr Praxis, größere Selbstbestimmung für die einzelne Schule und kürzere Schultage zählen zu den Vorschlägen. Damit würden eine ganze Reihe der Initiativen in der Volksschulreform aus dem Jahr 2014 zurückgerollt werden.

Wohl auch aus dem Grund möchte Tesfaye nicht von einer Reform sprechen. Auch soll das Ganze nicht im Hauruckverfahren in eine politische Absprache auf Christiansborg gegossen werden. Der Unterrichtsminister will stattdessen Gespräche mit allen Interessenten führen. Eine Reihe der Initiativen sollen zunächst im Kleinen getestet werden, bevor sie auf sämtliche Schulen ausgedehnt werden. In einem Jahr sollen die ersten Schritte umgesetzt werden. Das klingt wie kein ganz blöder Ansatz.

Beschleunigung bei Wind und Sonne

Die Volksschule war selbstverständlich nicht das Einzige, was die Regierungschefin in ihrer Eröffnungsrede erwähnte. Auch das Klima und vor allem die Konflikte, die zwischen Schutz der Natur und einem schnellen Ausbau der erneuerbaren Energien, entstehen können, hatte sie sich als Thema herausgepickt.

Und noch vor Tesfayes Pressekonferenz haben bereits am Montag Klimaminister Lars Aagaard (Moderate), Landdistriktministerin Louise Schack Elholm (Venstre) und Umweltminister Magnus Heunicke (Soz.) – man bemerke wiederum den gemeinsamen Auftritt – einen Plan für den Ausbau von Wind und Sonne an Land vorgestellt. Bis zu 32 Energieparks sollen in einer ersten Runde entstehen. Bürokratische Hindernisse sollen abgebaut, Entschädigungen für Nachbarn erhöht werden.

Es ist auch dringend nötig, dass die SVM-AG bei den regenerativen Energien auf das Gaspedal drückt. Bislang ist Klimaminister Aagaard vor allem dadurch aufgefallen, dass er eine Reihe von Offshore-Windprojekten gestoppt hat.

So werden wir im kommenden Jahr noch so einige Regierungsinitiativen erleben. Ob das reicht, um die drei Parteien aus dem Umfrageloch zu hieven, ist jedoch noch ungewiss. Auch werden wir beobachten müssen, wie viel nun tatsächlich von den schönen Worten umgesetzt wird.

Die geplanten Gesetze

Sieht man sich die Übersicht für die geplanten Gesetzesvorhaben für dieses Folketingsjahr an, so sieht es eher mager aus. Das Prestigeprojekt von der „größten Freisetzung des öffentlichen Sektors“ soll im Seniorenbereich beginnen. Im Februar plant die Regierung, dazu ein Gesetz vorzustellen, das „mit wenigen klaren Werten bessere Rahmen für ein fortgeschrittenes Alter mit Lebensfreude und Zeit für Vertraulichkeit und Fürsorge statt Schemas und Minutentyrannei“ schaffen soll. Das muss ein Gesetz erst einmal leisten.

Wenn die Parlamentarier im Juni kommenden Jahres in den Sommerurlaub gehen, wissen wir mehr darüber, wie viel vom Pathos der Regierungserklärung zu spürbaren Veränderungen für dich und mich geworden sind.

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