Minority SafePack

„Wenig europäisch“: Parteien aus SH reagieren auf die Entscheidung der EU

„Wenig europäisch“: Parteien aus SH reagieren auf die Entscheidung der EU

Parteien aus SH reagieren auf die Entscheidung der EU

kj
Kiel
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Das Abstimmungsergebnis des EU-Parlaments fiel deutlich aus, doch die EU-Kommission kehrt dem Minderheitenschutz den Rücken. Foto: Helge Möller

Schleswig-Holstein ist enttäuscht über die Entscheidung der EU-Kommission, Minderheitenschutz nicht weiterzuverfolgen, wie von der Bürgerinitiative Minority SafePack gefordert.

Die Europäische Union ergreift keine gesetzlichen Initiativen zum Schutz der nationalen und sprachlichen Minderheiten im Rahmen der europäischen Bürgerinitiative Minority SafePack, obwohl die Initiative mit großer Mehrheit vom Europaparlament unterstützt wurde. Die EU-Kommission lehnt es somit ab, Schutz und Förderung von Regionalsprachen in den europäischen Rechtsrahmen zu übernehmen.

In Schleswig-Holstein sind die Parteien von der Entscheidung der EU-Kommission enttäuscht.

„Diese Entscheidung der Kommission bedaure ich sehr“, sagte der Minderheitenbeauftragte Johannes Callsen in Kiel in einer Pressemitteilung. „Für die Minderheitenrechte in Europa wäre es ein wichtiges Signal gewesen, wenn sich die EU klarer zu ihrer Verantwortung für die Wahrung der kulturellen und sprachlichen Vielfalt in Europa bekannt hätte.“

„Für die Minderheitenrechte in Europa wäre es ein wichtiges Signal gewesen, wenn sich die EU klarer zu ihrer Verantwortung für die Wahrung der kulturellen und sprachlichen Vielfalt in Europa bekannt hätte.“

Johannes Callsen, Minderheitenbeauftragter

In Schleswig-Holstein haben sich die Landesregierung und das Parlament seit Jahren für diese Initiative eingesetzt. Ende Dezember vergangenen Jahres hat Ministerpräsident Daniel Günther sich in einem Brief an die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, für eine Umsetzung dieser Anliegen auf europäischer Ebene eingesetzt.

„Damit würde eine Verbindlichkeit des Minderheitenschutzes erreicht, der für alle Mitgliedsstaaten gleichermaßen gilt und die Mechanismen der beiden völkerrechtlichen Verträge des Europarats, die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen und das Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten, sinnvoll ergänzt“, warb Günther in seinem Schreiben.

„Nun kommt es darauf an, die wichtigen Anliegen der MSPI auf andere Weise zu unterstützen“, sagte der Minderheitenbeauftragte Callsen. „Ich werde mich auch weiter dafür einsetzen, dass die von der Kommission genannten Möglichkeiten auch tatsächlich einen Nutzen für die Angehörigen der nationalen Minderheiten und die Sprecherinnen und Sprecher der Regionalsprachen entfalten können.“

Der europapolitische Sprecher der Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen und Mitglied im Ausschuss der Regionen, Bernd Voß beschreibt die „Verweigerungshaltung“ der EU als skandalös:

1,2 Millionen Menschen haben sich in einer Bürgerinitiative für mehr Rechte für nationale Minderheiten ausgesprochen. Doch die EU-Kommission sieht keinen Handlungsbedarf und speist die Millionen Minderheitenangehörigen ungerührt ab.

Bernd Voß, Bündnis 90/Die Grünen

„Es ist ein Skandal, dass die Kommission sich nicht in der Lage sieht, die eigenen Verpflichtungen aus den europäischen Verträgen zum Schutz von nationalen Minderheiten umzusetzen. 1,2 Millionen Menschen haben sich in einer Bürgerinitiative für mehr Rechte für nationale Minderheiten ausgesprochen. Doch die EU-Kommission sieht keinen Handlungsbedarf und speist die Millionen Minderheitenangehörigen ungerührt ab. Wir haben in Beschlüssen im Ausschuss der Regionen Mehrheiten für die Minderheiteninitiative organisieren können – aber zu viele scheinen die Bedeutung für das Zusammenwachsen Europas nicht zu erkennen.“

Die europa- und minderheitenpolitische Sprecherin des Südschleswigschen Wählerverbandes, SSW, im Landtag, Jette Waldinger-Thiering, erklärt in einer Pressemitteilung:

Die Stellungnahme der EU-Kommission ist ein Schlag ins Gesicht der Minderheiten.

Jette Waldinger-Thiering, SSW

„Die Stellungnahme der EU-Kommission ist ein Schlag ins Gesicht der Minderheiten. Dass die Kommission sich seitenweise auf die Schulter klopft, ansonsten aber keinerlei Regelungsbedarf sieht, ist nicht nur realitätsfern, sondern für sich genommen der beste Beweis, dass wir den Minderheitenschutz auf europäischer Ebene verpflichtend verankern müssen. Sonst passiert nämlich genau das, was wir heute wieder erlebt haben: Arroganz, gepaart mit Gleichgültigkeit. Eines ist ganz sicher: Wir Minderheiten werden den Kampf nicht aufgeben. Die Kommission kann sich auf ein heißes Jahr 2021 einstellen.“

Auch Birte Pauls, minderheitenpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, ist über die Entscheidung der Kommission unzufrieden:

„Wir haben die Europäische Bürgerinitiative, deren Ziel ein verstärkter Minderheitenschutz in Europa ist, von Anfang an unterstützt. Für uns in Schleswig-Holstein ist der Einsatz für Minderheiten fraktionsübergreifend eine Selbstverständlichkeit. Wir haben die Minderheiten unter den Schutz unserer Verfassung gestellt. Eine aktive Politik zur Förderung ihrer Sprache und Kultur gehört dabei zum alltäglichen Geschäft. Das ist in Europa aber leider nicht überall der Fall. Dabei gehört jeder 7. EU-Bürger einer autochthonen Minderheit oder einer Volksgruppe an. Sie sind Brückenbauer, nicht nur in Schleswig-Holstein und im deutsch-dänischen Grenzland, sondern in ganz Europa. Minderheiten leisten einen wichtigen Beitrag für Frieden in Europa. Deshalb haben wir uns im Landtag auch wiederholt dafür eingesetzt, dass Minderheitenpolitik auf europäischer Ebene stärker verankert wird.“

Die Kommission ignoriert die prekäre Situation vieler Minderheiten in Europa genauso wie deren Bedeutung für Stabilität und Frieden in Europa.

Birte Pauls, SPD

Pauls fügt hinzu: „Die Stellungnahme der Europäischen Kommission ist deshalb eine große Enttäuschung für alle, die sich für eine stärkere Verankerung des Minderheitenschutzes in Europa eingesetzt haben. Die Kommission ignoriert die prekäre Situation vieler Minderheiten in Europa genauso wie deren Bedeutung für Stabilität und Frieden in Europa. Während wir immer und überall für europäische Lösungen werben, schiebt die Kommission die Verantwortung wieder auf die nationalen Staaten. Das ist wenig europäisch.“

Ihre Kollegin Delara Burkhardt, SPD-Europaabgeordnete aus Kiel, stimmt ihr in einer Pressemitteilung zu:

„Die Europäische Kommission hat sich dazu entschieden, den Forderungen nach Rechten für Minderheiten von mehr als 1.123.422 Millionen EU-Bürger*innen nicht nachzukommen.  Mit ihrer Entscheidung, keine weiteren Rechtsvorschriften umzusetzen, haben sie sich auch gegen den Beschluss des Europäischen Parlaments gestellt, für den fast einheitlich mehr als 75 Prozent aller Vertreter*innen gestimmt haben.“

Mit der Position der Kommission bleibt Minderheiten jetzt nur noch die Hoffnung, dass ihre nationalen Regierungen ihnen ausreichend Rechte zugestehen. Das reicht nicht für eine solidarische Minderheitenpolitik.

Delara Burkhardt, SPD

Burkhardt weist ebenfalls auf die Vorbildfunktion im Grenzland hin: „Schleswig-Holstein ist mit seiner aktiven Minderheitenpolitik Vorbild für Europa. Die Bürgerinitiative hatte das Ziel, grundlegende Minderheitenrechte überall in der EU zu verankern. Mit der Position der Kommission bleibt Minderheiten jetzt nur noch die Hoffnung, dass ihre nationalen Regierungen ihnen ausreichend Rechte zugestehen. Das reicht nicht für eine solidarische Minderheitenpolitik.“

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