Deutsche Minderheit
Ein Vierteljahrhundert im Dienst der deutschen Volksgruppe
Ein Vierteljahrhundert im Dienst der deutschen Volksgruppe
Ein Vierteljahrhundert im Dienst der deutschen Volksgruppe
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Die Direktorin des Verbandes Deutscher Büchereien Nordschleswig kam im November 1996 in den Landesteil. Die Journalistin und ehemalige stellvertretende Chefredakteurin des Minderheitenmediums „Der Nordschleswiger" steht seit knapp sieben Jahren an der Spitze des Büchereiwesens. Claudia Knauer gibt im Interview einen persönlichen Rückblick.
Der 1. November 1996 ist ein bedeutsamer Tag im Leben von Claudia Knauer gewesen. Im Spätherbst vor 25 Jahren hatte sie ihren ersten Arbeitstag bei der deutschen Minderheit in Nordschleswig. Die studierte Politologin wurde als Journalistin beim „Nordschleswiger“ eingestellt. Als sie die damalige Tageszeitung im Januar 2015 verließ, war sie 16 Jahre als stellvertretende Chefredakteurin tätig gewesen. Beim Wechsel zum Büchereiwesen wurde sie Direktorin des Verbandes Deutscher Büchereien Nordschleswig.
Dankbarkeit und Freude
Im Rückblick auf das vergangene Vierteljahrhundert freut sich Claudia Knauer (60) darüber, dass sie und ihre Familie ein Teil der deutschen Minderheit geworden sind. „Ich war und bin superfroh und dankbar, dass ich beim ,Nordschleswiger‘ habe arbeiten und später Verantwortung habe übernehmen können“, sagt Claudia Knauer.
1996: Ein Schlechtwettersommer
Im Sommer 1996 war sie mit ihrem Ehemann, dem Soziologen Professor Dr. Carsten Schlüter-Knauer und dem damals fünfjährigen Sohn Erik, wie schon so oft zuvor, vom Wohnort Kiel zum Urlaub nach Dänemark gefahren. „Wir waren in der Regel in Marielyst auf Falster. Es war der erste Sommer, in dem wir drei Wochen gebucht hatten“, sagt die „Silber-Jubilarin“. Sie hat den Sommer 1996 als Schlechtwettersommer in Erinnerung. Bei der Wahl des Feriendomizils hatte die Familie auch nicht das große Glück gehabt: „Das Haus war doof. Es lag hinter einer Imbissstube.“
Bewerbungsgespräch mit Verzögerung und grünem Wickelrock
Claudia Knauer, die 1991, seit der Geburt ihres Sohnes, als freischaffende Journalistin arbeitete, hatte sich vor den Ferien auf eine Stelle als Journalistin beim „Nordschleswiger“ beworben. „Wir waren drei Wochen im Urlaub. Damals gab es kein Internet im Sommerhaus, und ein Handy hatte ich auch nicht“, so die Direktorin, die bei der Rückkehr eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch beim „Nordschleswiger“ im Briefkasten vorgefunden hatte. Chefredakteur Siegfried Matlok hielt, trotz ihrer zögerlichen Resonanz, an dem Gespräch fest.
Das Treffen fand Ende August statt. „Ich war megaaufgeregt, und dann war es ein spannendes Gespräch für mich. Ich weiß noch, was ich an dem Tag anhatte. Es waren ein grüner Wickelrock und eine Bluse“, verrät Knauer.
Ich war megaaufgeregt, und dann war es ein spannendes Gespräch für mich. Ich weiß noch, was ich an dem Tag anhatte. Es waren ein grüner Wickelrock und eine Bluse.
Claudia Knauer, Büchereidirektorin
Festanstellung beim „Nordschleswiger“ und intensiver Sprachunterricht
Die Zusage auf die Stelle bekam die damals 35-Jährige nach einer gewissen Zeit. Und dann standen die Eheleute vor der Frage, ob sie nach Nordschleswig ziehen: „Mein Mann und ich haben hin und her überlegt.“ Claudia Knauer wollte sich beruflich verändern und unbedingt als Journalistin arbeiten. Davon hatte sie schon in ihrer Schulzeit geträumt. Mit einer Festanstellung im Pressehaus in Apenrade würde sich dieser Traum erfüllen lassen können. Im Anschluss an ihr Studium an der Universität in Kiel war Knauer Geschäftsführerin und Pressesprecherin der FDP-Bürgerfraktion in Hamburg gewesen. Sie brachte somit Erfahrung aus dem Berufsleben mit, und sie entschloss sich, die Herausforderung in Nordschleswig anzunehmen. Knauer bereitete sich mit einem selbst bezahlten Dänisch-Intensivkurs auf ihre neue Aufgabe vor. Als die junge Mutter dann am 1. November 1996 der Redaktion beitrat, fühlte sie sich sprachlich ein wenig vorbereitet. Ihre Sprachkenntnisse wurden auch durch Kurse, die der Chefredakteur für sie und eine Kollegin in Gang setzte, verbessert. „Wir haben Privatstunden bekommen. Da hat Matlok sich wirklich gekümmert“, so Claudia Knauer.
Im Sommer 1997 zog die Familie nach Apenrade in ihr neu erworbenes Haus. Carsten Schlüter-Knauer pendelt seitdem nach Kiel, wo er an einer Fachhochschule unterrichtet.
Positiver Einstieg in den Redaktionsalltag
Claudia Knauer lebte sich schnell ein im Redaktionsalltag. „Die ersten Wochen bin ich eigentlich nur mit einem Grinsen im Gesicht über den Flur gegangen, weil ich so happy war, da zu sein“, weiß sie noch. Sie habe sehr schnell dänische Texte lesen und bearbeiten können und war neben dem Kulturstoff unter anderem auch für das Gesundheitsressort des damaligen Amtes Nordschleswig zuständig.
Dänischkenntnisse kamen auf den Prüfstand
Bei einem Pressetermin mit dem damaligen Amtsbürgermeister Kresten Philipsen (1945- 2011) kamen ihre Dänischkenntnisse allerdings auf den Prüfstand. Claudia Knauer stieß an ihre Grenzen, als Philipsen den Vertretern und Vertreterinnen der Presse „im heimischen Dialekt und mit Pfeife im Mund“ Maßnahmen des Finanzausschusses darlegte. Ein enger Mitarbeiter des Amtsbürgermeisters hatte mitbekommen, dass Knauer in sprachlichen Schwierigkeiten steckte, und kontaktierte sie nach dem Termin.
„Er hat mich angerufen und erklärte mir alles auf Deutsch“, freut sich Claudia Knauer über die Hilfsbereitschaft des leitenden Mitarbeiters. Die neu hinzugekommene Journalistin avancierte schnell zur Redakteurin, und 1998 erfolgte die Ernennung zur stellvertretenden Chefredakteurin. „Es war mit Matlok eine Herausforderung und eine große Freude zugleich. Matlok ist einer, der dich fordert. Ich finde, das hat der Zeitung und uns allen gutgetan und ist nicht zu unterschätzen“, unterstreicht Claudia Knauer.
Vizechefredakteurin wechselte zum Büchereiwesen
Nach 18 Jahren beim „Nordschleswiger“ lag es nahe, eine andere Verantwortung übernehmen zu wollen, blickt Claudia Knauer zurück. Im Herbst 2014 bewarb sie sich erfolgreich um den vakanten Direktor-Posten beim Büchereiwesen.
Als Knauer im Januar 2015 in ihr Amt eingeführt wurde, tat sich keine neue Welt für sie auf. Auch war sie für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Büchereiwesens keine Fremde. Die Zentralbücherei war seit Anbeginn eine Anlaufstelle für das Ehepaar. „Das war schon immer ein natürlicher Ort für uns und unsere Kinder. Ich habe bei der Zeitung auch Kulturstoff gemacht und war bei Veranstaltungen in der Bücherei“, sagt Claudia Knauer. Ihre Kinder nutzten die pädagogischen und schulischen Angebote der deutschen Minderheit. Carsten Schlüter-Knauer lag auch sein Ehrenamt als stellvertretender Vorsitzender des Büchereiverbandes am Herzen. Diesen Posten musste er allerdings aufgeben, als seine Frau zur Direktorin ernannt wurde.
Ehemann musste Vorstandsposten verlassen
„Mein Mann hat sich ganz intensiv mit großem Engagement und Freude eingebracht in die Vorstandsarbeit des Büchereiverbandes. Als ich Direktorin wurde, musste er leider gehen. Das war meine Schuld“, bedauert die Direktorin.
Demokratische Debatten fördern
Ihr Vorgänger Nis-Edwin List-Petersen habe im Musikbereich viel gemacht und Lesungen, Ausstellungen und Veranstaltungen angeboten. Davon hat Claudia Knauer einige Sachen übernommen. „Wir haben den Schwerpunkt ein bisschen verschoben. Jeder hat seine Kompetenzen, und was bei mir neu ist, ist das politische Forum“, sagt Knauer. Sie erklärt, dass Bibliotheken in Skandinavien einen starken Fokus legen auf demokratische Debatten. Die Bücherei verstehe sich als ein Ort, wo man den demokratischen Diskus fördert. „Wir beziehen keine politische Stellung, aber wir wollen dafür Sorge tragen, dass Menschen miteinander reden“, so die Büchereidirektorin.
Eine Kernaufgabe des Büchereiwesens sei weiterhin die Versorgung der Bevölkerung mit Medien und der Einsatz für die deutsche Sprache und Kultur. Die deutschen Büchereien sehen sich als Bildungseinrichtungen und Ausstellungsfenster der Minderheit zugleich und darüber hinaus als Orte kultureller Aktivitäten.
„Ich bin hier richtig froh. Es ist ein fantastisches Team. Alle stehen füreinander fachlich ein. Ich habe viele schlaue und hilfsbereite Leute, die alles wissen, und das ist gut, denn ich bin ja keine Bibliothekarin“, sagt Claudia Knauer und schmunzelt.
Büchereidirektorin und Chefin der Visitenkarte der Minderheit
Claudia Knauer bewirtschaftet das Haus Nordschleswig, das Dienstleistungszentrum der deutschen Verbände und Vereine. Das kommt daher, dass bei dem Bau der Zentralbücherei und Büchereizentrale des Verbandes Ende der 1960er Jahre der Bund Deutscher Nordschleswiger (BDN) nach deutschem Haushaltsrecht keine Gebäude besitzen durfte. „Aber die Bücherei braucht ein Gebäude“, so Knauer. Bei der Fertigstellung des Hauses hielten das Deutsche Generalsekretariat des BDN und eine Reihe weiterer Verbände mit ihren Verwaltungen Einzug. In der Amtszeit von Hans Heinrich Hansen, Vorsitzender des BDN von 1993 bis 2006, wird 2004 mit den Umbaumaßnahmen für ein neues Dienstleistungszentrum der Minderheit begonnen. Für Hansen drehte es sich damals darum, Institutionen der Minderheit in einem Haus „zusammenzuführen, um die Kommunikation in der Minderheit zu stärken“. Der Bau des Hauses Nordschleswig war für ihn gleichzeitig eine Frage der Rationalisierung.
„Die Visitenkarte der Minderheit“, wie Knauer das Haus nennt, beherbergt neben der Zentralbücherei und Büchereizentrale, die Geschäftsstellen des BDN, dessen politischer Vertretung (Schleswigsche Partei), des Sozialdienstes Nordschleswig und des Deutschen Schul- und Sprachvereins für Nordschleswig (DSSV). Sie bewirtschafte das Haus im Dialog mit BDN-Generalsekretär Uwe Jessen und den geschäftsführenden Kolleginnen und Kollegen. Zu ihrem Personal (rund 25 Mitarbeiter) gehören, neben den Angestellten des Büchereiwesens, auch die „supertollen Servicekräfte“.
Im Bereich des Büchereiwesens hat Knauer alles in allem 13 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Neben der Zentralbücherei ist der Büchereiverband mit Filialen und jeweils einer Mitarbeiterin in Hadersleben (Haderslev), Tondern (Tønder), Tingleff (Tinglev) und Sonderburg (Sønderborg) vertreten. Die Bücherei verfügt über zwei Fahrbüchereien, die Nutzer im ländlichen Raum betreuen. In der Zentralbücherei arbeiten drei Bibliothekarinnen und vier Assistenten.
Das ist eine Herzensangelegenheit für mich. Deswegen halte ich an diesem sehr, sehr langen Prozess fest. Ich pflege zu sagen, dass ich geborene Deutsche und gelernte Dänin bin.“
Claudia Knauer, Büchereidirektorin
„Geborene Deutsche und gelernte Dänin“
Für Claudia Knauer ist Dänemark zur Heimat geworden. „Wir sind so dänisch geworden, dass wir ein Sommerhaus gekauft haben“, lacht Claudia Knauer. Im Ferienhaus in Loddenhoi (Lodddenhøj) entspannt das Ehepaar an den Wochenenden und im Urlaub.
Tochter Sofie studiert Politikwissenschaft in Aarhus. Sohn Erik ist Gymnasiallehrer. Er lebt in Høng auf Westseeland, wo er im August am örtlichen Gymnasium als Lehrender für Mathematik und Geschichte angestellt wurde.
„Ich bin jetzt froh, dass ich meine 25 Jahre bei der Minderheit schon abgeleistet habe. Ich kann es mir in keiner Weise vorstellen, nach Deutschland zurückzugehen“, sagt Knauer und schmunzelt. Sie hat vor zehn Jahren die dänische Staatsbürgerschaft erworben. Damals musste sie die deutsche Staatsbürgerschaft aufgeben. Da es inzwischen möglich ist, beide Staatsbürgerschaften zu besitzen, ist Claudia Knauer dabei, die deutsche zurückzuerwerben. Obwohl das ein umständlicher Prozess ist, hält die Direktorin an ihrem Entschluss fest, weil, „sie auch deutsch ist“. „Das ist eine Herzensangelegenheit für mich. Deswegen halte ich an diesem sehr, sehr langen Prozess fest. Ich pflege zu sagen, dass ich geborene Deutsche und gelernte Dänin bin“, erklärt die 60-Jährige. Deswegen passe es auch so fein für sie, „in der Bücherei und in der Minderheit zu arbeiten und mit der Bücherei Brücken zu bauen ins Dänische hin“.